Foto: Peter Stotz
Ein wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens in der Stadt: der Esslinger Wochenmarkt bietet weit mehr als Obst, Gemüse, Wein und Honig.
Der Gang zum Markt mittwochs und vor allem samstags ist für viele Esslinger weit mehr als nur eine weitere lästige Notwendigkeit, um die Lebensmittelvorräte aufzustocken. Vielmehr ist der Marktbesuch oft geradezu als Pflichttermin im sozialen Geschehen zu betrachten, stellt der Markt doch auch ein Forum des Austauschs von Neuigkeiten und einen Ort des unkomplizierten Treffens von Nachbarn und Bekannten dar.
Ein Marktbesuch ist in jedem Fall ein sinnliches Erlebnis. Diverse Düfte wehen um die Nase, Stimmengewirr und angeregte Verkaufsgespräche oder auch der Austausch von Tipps zur Zubereitung der bunten Vielfalt in den Einkaufskörben dringen an das Ohr. Das Auge kauft mit: Lange Reihen von Gemüse aller Art präsentieren sich an den Ständen, Möhren, Kohlrabi, Bohnen und Blumenkohl scheinen geradewegs vom Feld auf den Tisch des Marktstands gekommen zu sein. Hier locken Obst, Früchte und Blumen mit leuchtenden Farben, dort liegen Brote im Regal, gleich daneben warten Käse oder Wurst auf Käufer.
So mancher Marktbesucher scheint in Eile und drängt sich ungeduldig durch die Menge. Für die Mehrzahl indes gilt: So viel Zeit muss sein, denn auf dem Markt geht es um weit mehr, als den bloßen Tausch Ware gegen Münze. Was oft im Alltag wegen der Vielzahl der Verpflichtungen nicht gelingt, wird am Markttag zur leichten Übung: Man trifft sich. Insbesondere am Samstagmorgen bedarf es keiner großen Verabredung und keines Abgleichs diverser Terminkalender, um zusammenzukommen.
„Wir sehen uns auf dem Markt“, der Slogan mit dem der Esslinger Marktverein für die Angebote der Erzeuger und Marktbeschicker wirbt, darf auch als unausgesprochener Auftrag für das soziale Leben in der Stadt gewertet werden. Denn in der Regel wird nicht nur der Korb mit Obst und Gemüse gefüllt, wechseln nicht nur Honig, Eier und Wein die Eigentümer. Der Markt ist immer auch ein Ort des Austauschs für Nachbarn, Freunde und Bekannte. An den Marktständen wird geplaudert, werden Neuigkeiten erzählt und Geschichten zum Besten gegeben. Dies setzt sich fort am Kaffeestand oder in einem der nahen Lokale, und für viele Esslinger ist das anschließende Beisammensein bei einem Glas Sekt zwischen historischen Mauern beinahe schon zum Pflichttermin geworden.
Der Wochenmarkt als städtisches Forum, als Ort des Austauschs von Waren und ebenso von Neuigkeiten, Interessantem oder Kuriosem, hat wie so vieles in der Stadt Esslingen eine lange Tradition. So reichen erste schriftliche Erwähnungen des Marktwesens in das Frühmittelalter zurück. Laut einer Urkunde im Stadtmuseum wurde Esslingen im Jahr 866 das Marktrecht verliehen. Der Mittwoch und der Samstag sind seit dem Jahr 1523 als Markttage belegt. Der Markt für landwirtschaftliche Produkte fand auf dem Platz vor dem Alten Rathaus, dem Steuerhaus, statt. Nach dem Abriss des Katharinenspitals im Jahr 1811 wurde dem gestiegenen Platzbedarf für das Marktgeschehen Rechnung getragen, der Markt zog auf den nun freien Platz bei der Stadtkirche, den heutigen Marktplatz um.
Auf die gewohnte Anordnung der Stände und die historische Kulisse der Gebäude am Marktplatz müssen die Esslinger derzeit allerdings verzichten. Zum Stadtjubiläum im Jahr 2027 wird der Platz grundlegend saniert und umgestaltet. Das Marktgeschehen findet daher bis auf weiteres in der Bahnhofstraße statt. Dem Markt als Ort des Zusammenkommens der Esslinger hat dies jedoch keinen Abbruch getan. (sto)