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Wie kann die Stadt selber bauen?

Foto: Roberto Bulgrin

Die Stadt Esslingen will eine aktivere Rolle auf dem Wohnungsmarkt einnehmen. Deshalb wollte sie die Wohnbau Stadt Esslingen wiederbeleben. Doch das ist vom Tisch. Die Stabsstelle Wohnen sucht jetzt nach Alternativen. Die Stadt Esslingen will eine aktivere Rolle auf dem Wohnungsmarkt einnehmen. Deshalb wollte sie die Wohnbau Stadt Esslingen wiederbeleben. Doch das ist vom Tisch. Die Stabsstelle Wohnen sucht jetzt nach Alternativen. Laut einer Studie der Hochschule Esslingen fehlen in Esslingen mindestens 2400 bezahlbare Wohnungen. Auch die im Januar neu eingerichtete Stabsstelle Wohnen im Rathaus geht nicht davon aus, dass die Wohnungssuche leichter wird – im Gegenteil: In den kommenden zehn Jahren müssten alleine 1680 Wohnungen neu gebaut werden, um den demografischen Zuwachs und die Tatsache auszugleichen, dass immer weniger Menschen in einem Haushalt lebten, heißt es in deren Strategiepapier. Deshalb will die Stadt künftig eine aktivere Rolle im Wohnungsbau spielen. Geht es nach dem Strategiepapier, das der Gemeinderat einstimmig verabschiedet hat, soll die Stadt ihre eigenen Grundstücke – so sie denn welche hat – selber bebauen. Sie soll zudem aktiv Bauland erwerben, um sich auch dort selbst zu engagieren. Denn zum einen hat das Land seine Förderquote für Kommunen auf 48 Prozent erhöht, wenn sie selbst Mietwohnungen schaffen. Zum anderen hatte es im April 2020 die Möglichkeiten beschnitten, dass die Kommunen bei Investorenprojekten, die über den sozialen Mietwohnungsbau durch das Land gefördert werden, ausschließlich Menschen aus ihrer eigenen Notfallkartei unterbringen können. Einzige Voraussetzung, um an eine solche Wohnung zu kommen, ist ein Wohnberechtigungsschein – egal, ob der Besitzer bislang in Backnang oder Ulm gelebt hat. Das trifft Esslingen in besonderem Maße, weil sich die Stadt in den vergangenen Jahren vor allem über ihr Wohnraumversorgungskonzept neue sogenannte Benennungsrechte sichern konnte: Hatte sie ein städtisches Grundstück verkauft oder einem Investor erlaubt, mehr zu bauen als für das Grundstück vorgesehen war, musste er auf einem Teil der Fläche öffentlich geförderte Sozialwohnungen bauen. Dort konnte die Stadt dann 15 Jahre lang Menschen aus ihrer Notfallkartei unterbringen. Das geht so nicht mehr. „Wir müssen das Wohnraumversorgungskonzept aber ohnehin überarbeiten“, sagt Gunnar Seelow, Leiter der Stabsstelle Wohnen. „Denn wenn wir nicht alle 15 Jahre wieder Benennungsrechte verlieren wollen, ist das System auf unendliches Wachstum angelegt. Und das geht auch nicht.“ Baut sie selbst, könnte sich die Stadt nicht nur die erhöhten Landeszuschüsse für Kommunen, sondern auch langfristig die Belegung der Wohnungen sichern. Deshalb hatte die Stabsstelle vor, die Wohnbau Stadt Esslingen (WSE) wiederzubeleben. Die GmbH war 2005 zu Grabe getragen worden – sie konnte ihren Bestand nicht mehr unterhalten. Die Immobilien der zu 98 Prozent städtischen Tochter waren an die Esslinger Wohnungsbau (EWB) verkauft worden, die zur Hälfte der Stadt und zur Hälfte der lokalen Wirtschaft gehört. Aber als rechtliche Hülle existiert die Wohnbau nach wie vor. Als solche wurde sie auch in Anspruch genommen, um den Vertrag mit dem Land über den städtischen Ankauf des Hochschulgeländes auf der Flandernhöhe abzuschließen. „Bisher war geplant, sie dann mit dem Gelände zu verkaufen“, sagt Finanzdezernent Ingo Rust. Dem dürfte auch künftig nichts im Wege stehen: Mittlerweile hat sich herauskristallisiert, dass auch die Wohnbau nicht in den Genuss der neuen kommunalen Extraförderung von 48 Prozent käme. Denn das Land unterstützt nur die Stadt selbst oder deren Eigenbetriebe, keine GmbH. Seelow: „Deshalb prüfen wir jetzt, ob wir einen Eigenbetrieb Wohnen gründen oder eine entsprechende Abteilung in unserem Eigenbetrieb Städtische Gebäude Esslingen einrichten können.“ Der Haken: Eigentlich hat die Stadt weder Geld noch Grund und Boden. „Aber wenn sich die Stadt langfristig einen Wohnungsbestand aufbauen würde, würde sie auch an der Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt partizipieren. Auf lange Sicht wäre das für das Vermögen der Stadt günstiger, als wenn wir Benennungsrechte kaufen würden“, bilanziert Seelow. „Die Stadt muss nichts Eigenes gründen, sie hat doch die EWB“, meint dagegen deren Geschäftsführer Hagen Schröter. Für günstige Mieten müsste auch das Bauen bezahlbar sein. Er verweist auf das gemeinsame Projekt in der Zeller Alleenstraße, in der die Vertragspartner 70 Sozialwohnungen geschaffen haben, die für acht Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Möglich war das zum einen über optimierte Grundrisse, serielles Bauen und ein ausgeklügeltes Abschöpfen der Landeszuschüsse, zum anderen über ein komplexes Rechtskonstrukt, bei dem die Stadt das Grundstück von drei Millionen Euro und eine Bareinlage von 7,3 Millionen Euro eingebracht hat. So hat sie sich den Zugriff auf das Grundstück auch nach der Vertragslaufzeit von 50 Jahren gesichert. Die Stadt könnte alleine auch nicht günstiger bauen, meint Schröter, selbst wenn sie die höhere Landesförderung bekäme. Allerdings kann sie auch in Zell nicht nur Menschen aus der Notfallkartei unterbringen. Aber sie sitzt in der Belegungskommission. Bei Wohnungen, die nach dem Landeswohnraumförderungsprogramm gefördert sind, liegt der Mietpreis liegt in der Regel 33 Prozent unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete, die Bindung ist zeitlich befristet. Nutzungsberechtigt sind Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein aus dem ganzen Land. Der Eigentümer sucht die Mieter selbst aus, mehrheitlich hat die Stadt hier kein Benennungsrecht. Weil die Förderdarlehen ausgelaufen oder abgelöst worden sind, hat sich die Anzahl dieser Wohnungen in Esslingen seit 2010 von 1300 auf aktuell 567 Wohnungen verringert.