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Seite 3 Redaktion

Werden die Innenstädte dunkler?

Foto: Karin Ait Atmane

Energiesparen ist das Gebot der Stunde. „Jede Kilowattstunde zählt“, hat Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann  (Grüne) kürzlich betont und damit die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Unternehmen angesprochen. Für beide bleiben Sparmaßnahmen weiterhin freiwillig – und das sei auch gut so, findet Christoph Nold, der Geschäftsführer der IHK Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen. Er fordert, „den Unternehmen Freiraum zu lassen und nicht von Seiten der Politik alles kleinteilig zu regeln“. Die Gewerbetreibenden seien sich ohnehin bewusst, dass sie Energiesparen müssen, schon aufgrund des „Kostendrucks“. Das merke man auch am derzeit hohen Beratungsbedarf. Um Licht und Beleuchtung scheint es bei den Sparbemühungen aber kaum zu gehen. Wenn hinter der Leuchtreklame eine LED stehe, sei der Stromverbrauch „marginal“ im Vergleich zu anderem, sagt Nold, denn viele Unternehmen hätten in der Produktion oder anderen Bereichen einen weitaus höheren Energiebedarf. 
Thomas Pressel, Vorsitzender von Stadtmarketing Plochingen, sieht das ähnlich. Die großen Firmen hätten in der Regel schon auf LED umgestellt. Und das Schaufensterlicht sei ja auch eine wichtige Werbemaßnahme: „Das wäre am falschen Ende sparen“. Überlegungen für ein gemeinsames Vorgehen gebe es in Plochingen bislang nicht. „Nach 22 Uhr ist bei 90 Prozent der Einzelhändler hier das Licht sowieso aus“, ist Pressel überzeugt, nur „ein Schummerlicht“ hier und da oder gezielte, sparsame Beleuchtung seien noch zu finden. Ziemlich grell wirken aber die leuchtend blauen Fensterrahmen der Firma Ceramtec, wenn man bei Dunkelheit über die Otto-Konz-Brücke nach Plochingen einfährt. Auch das seien „alles LED-Geschichten, die schon sehr wenig Strom verbrauchen“, versichert die  Unternehmenssprecherin Anke Peters. Energiesparen sei für Ceramtec ein sehr wichtiges Thema, aber angesichts der energieintensiven Produktion mit hohen Temperaturen stünden „ganz andere Dinge im Fokus“. 
Eine gemeinsame Strategie gebe es auch in Esslingen nicht, bestätigt der dortige Geschäftsführer des Stadtmarketings, Michael Metzler. „Ich weiß, dass das jedes Unternehmen für sich überlegt“, sagt er und kann für die Tourist-Info am Marktplatz berichten, „dass wir außerhalb der Öffnungszeiten das Licht komplett ausmachen“. Aber das könne und wolle man niemandem vorschreiben, zumal Licht – auch das aus den Schaufenstern – die Altstadt in Szene setze und Sicherheit auf den Straßen gebe. 
Das Bild ist bis dahin ein ziemlich einheitliches: Energiesparen ja, aber den Fokus legen Unternehmen und Geschäfte nicht aufs Licht. Melanie Wägner, Citymarketing-Geschäftsführerin in Nürtingen, geht aber davon aus, dass dieses Thema demnächst bei einer Vorstandssitzung auf der Tagesordnung stehen wird. „Es gibt Überlegungen – wir besprechen das im September, wenn wir Sitzung haben“, sagt auch Wilfried Schmid, Vorsitzender von „Wendlingen aktiv“. Der Zusammenschluss von Einzelhändlern wolle auf jeden Fall eine Empfehlung an seine Mitglieder rausgeben, man habe das Thema nur wegen der Urlaubszeit noch nicht aufgegriffen. Nach den Ferien nehme man dann auch gleich die Frage in den Blick, „was wir mit der Weihnachtsbeleuchtung machen“. Die werde zwar von der Stadt angebracht, aber auch hier will man sich übers Vorgehen einigen. 
Ähnlich ist die Lage in Kirchheim, wo der Ausschuss des Cityrings die Beleuchtung der Geschäfte schon andiskutiert habe, wie der Vorsitzende Karl Bantlin berichtet. Das soll demnächst vertieft werden. Ob eine Empfehlung an die Mitglieder ausgesprochen wird, weiß Bantlin noch nicht, die anderen Ausschussmitglieder seien aber offen für das Thema. Der Cityring-Vorsitzende hat mit seinen eigenen Geschäften bereits reagiert: „Wir schalten das Licht früher aus“. Jetzt beleuchte man nur noch bis 20 statt 23 Uhr und möglicherweise bald sogar noch kürzer. Wenn alle drei Stunden früher den Schalter drücken, käme durchaus was zusammen, sagt Bantlin. Das Licht mag zwar beim Energieverbrauch ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, aber viele Tropfen füllten schließlich einen Eimer. 
Die Kirchheimer Innenstadt ist derzeit dunkler als früher, weil die Giebelbeleuchtung, die an das Straßenbeleuchtungsnetz angeschlossen ist, seit einigen Tagen komplett abgeschaltet wurde. Die Giebel innerhalb des Alleenrings bleiben also am Abend dunkel. Wo sie noch leuchten, handelt es sich um privat angebrachte Lichterketten. 

Energieeinsparung schützt auch die Insekten

In Spanien hat die Regierung einen „Energiesparplan“ mit weitreichenden Vorschriften erlassen. Sie gelten unter anderem auch für Kaufhäuser, Kinos, Hotels, Arbeitsstätten, Bahnhöfe und Flughäfen. Beschränkt ist sowohl die Heiztemperatur im Winter als auch die Kühlung im Sommer. Schaufensterbeleuchtungen müssen um 22 Uhr ausgeschaltet werden. Hierzulande appelliert die Politik an Privatleute und die Wirtschaft, Energie zu sparen. Das baden-württembergische Naturschutzgesetz in der Fassung vom 22. Juli 2020 schreibt vor, dass die Fassaden öffentlicher Gebäude von April bis September gar nicht beleuchtet werden dürfen, im Winterhalbjahr lediglich bis 22 Uhr. Dies gilt aber  nur für „bauliche Anlagen der öffentlichen Hand“, also etwa nicht für Kirchen. Aktuell steht die Energieersparnis im Vordergrund. Ein anderer wichtiger Aspekt bei nächtlicher Beleuchtung ist aber der Insektenschutz. Laut Naturschutzverbänden ist die Biomasse der fliegenden Insekten in den vergangenen drei Jahrzehnten um fast 80 Prozent zurückgegangen. Zum Schutz von Insekten solle nachts nur gelbliches und orangefarbenes Licht genutzt werden (weniger als 2700 Kelvin), sagen die Naturschützer – und auch das sollte   so wenig wie möglich genutzt werden.