ANZEIGE
Kategorien
Seite 3 Redaktion

Tiertragödie unter dem Viadukt

Foto: oh

Vor sechs Jahren hat sich Alberto Principe einen kleinen Traum erfüllt: Im Körschtal unweit der Nellinger Kläranlage schuf der 52-Jährige ein Gehege, das sich im Laufe der Zeit immer mehr mit Leben füllte. Am Ende waren es fünf Gänse, 50 Hühner, 70 Schafe, 15 Ziegen und zwei Hirtenhunde, die das etwa 60 Ar große Hanggrundstück bevölkerten. Das ist Vergangenheit. Heute findet man dort nur noch eine Handvoll Hühner. Alle anderen Tiere hat Principe schweren Herzens weg gegeben. Ein Großteil von ihnen ist mittlerweile geschlachtet worden.

Der Mann mit italienischen Wurzeln hat sein kleines Paradies nicht freiwillig geräumt. Tierschützer, die die Umstände, wie dort die Tiere gehalten wurden, scharf kritisierten, hatten ihn mit Anzeigen überhäuft. Principe ist dieser Auseinandersetzungen nun so leid, dass er sich zur Aufgabe durchgerungen hat.

Doch das Thema schlägt Wellen. Denn es gibt auch Leute, die sich hinter Principe stellen. Kurt Aichele, der dort regelmäßig mit seiner Frau vorbei kommt, ist empört. „Wer das Tierparadies gesehen hat, war begeistert“, berichtet der Senior aus Nellingen von vielen schönen Begegnungen am Gehege. Bei der Haltung der Tiere sei nichts Unrechtes passiert. „Ganz im Gegenteil. So viel Engagement müsste belohnt werden.“

Er liebe Tiere, sagt Principe. Deswegen habe er viel Zeit und Geld investiert, um seinem Hobby frönen zu können. Zweimal am Tag kämen er oder seine Frau zum Füttern. Um die 500 Euro habe er allein diesen Winter für Heu ausgegeben. Er spricht ausdrücklich von Hobby. Seit 1991 ist der 52-Jährige in der Gastronomie tätig. Aktuell betreibt er als Pächter die Wirtschaft „Alter Bär“ in Denkendorf. Natürlich lande nach Schlachtungen das eine oder andere Stück Fleisch bei ihm im Kochtopf, sagt er. Aber das sei nicht sein primäres Ziel. Er mache es der Tiere wegen. Und für manche von ihnen, die schon in die Jahre gekommen seien, sei das Gehege so etwas wie ein Gnadenhof.

Im Nachhinein lässt sich nicht einfach nachvollziehen, inwieweit Unrecht passiert ist. Doch kommt die Kritik nicht von Ungefähr. Vieles, was Principe in seiner hemdsärmeligen Art auf dem Grundstück geschaffen hat, wirkt improvisiert. Und so ist die Kritik von Tierschützern, dass unter so solchen Verhältnissen Schafe, Ziegen und Hühner nicht artgerecht gehalten werden können, nicht ganz von der Hand zu weisen. Vorwürfe wie Unterernährung, aber auch Tierquälerei waren zu hören. Kritisiert wurde ferner, dass die Tiere nach Regenperioden im tiefen Dreck stünden und bei schlechtem Wetter keinen Unterstand hätten. Das Veterinäramt sei regelmäßig auf Mängel und Verstöße aufmerksam gemacht worden, berichtet Andrea Wangner, die Sprecherin des Esslinger Landratsamtes. Allem sei man nachgegangen und habe regelmäßig vor Ort Kontrollen durchgeführt.

Wenn sich Verstöße bestätigten, habe man stets darauf gedrungen, dass Mängel behoben wurden. Principe zeigte sich auch verhandlungsbereit. Auf Druck der Behörde hatte er beispielsweise für Unterstände gesorgt. Doch stellt Pressesprecherin Wangner klar: „Die Voraussetzungen für ein Tierhalteverbot als schwerwiegendste Maßnahme lagen nicht vor.“ Auch für eine Abgabe der Tiere habe das Veterinäramt aus rechtlichen Gründen keine Veranlassung gesehen. Die Behörde habe allerdings darauf gedrungen, dass für die Schafe bald eine neue Bleibe gefunden werde.

„Einige Aspekte waren nicht akzeptabel“

Auch mit der Stadt Ostfildern hatte es in der Vergangenheit immer wieder Auseinandersetzungen gegeben. Die von Alberto Principe bewirtschafteten Flächen liegen in einem Landschaftsschutzgebiet. „Einige Aspekte seines Vorgehens waren nicht akzeptabel“, berichtet Stadtsprecher Dominique Wehrle auf Nachfrage. Deswegen hätten sich verschiedene Stellen aus der Verwaltung immer wieder eingeschaltet. Beklagt wurde beispielsweise, dass Schafe auf städtischen Grundstücken Bäume angefressen hätten oder dass aufgrund der unrechtmäßig betriebenen Winterweide das Offenland-Biotop am Katzenbach beschädigt worden sei. Zudem sind aus baurechtlicher Sicht zahlreiche Missstände entstanden, die beseitigt werden müssten.

Aber nicht nur bei den Behörden stand und steht Principe unter Beobachtung. Eine ältere Dame, die gar nicht mit seiner Tierhaltung einverstanden war, habe ihn regelrecht verfolgt, erzählt der 52-Jährige. Er spricht sogar von Stalking. Ständig habe sie ihm Vorhaltungen gemacht, dass er das Tierwohl missachte. Principe räumt ein, dass gerade dieser Winter mit vielen Niederschlägen und aufgeweichten Böden schwierig gewesen sei. Unansehnlich sei natürlich auch gewesen, als seine Schafe mitten im Winter gelammt und im Schnee Blutspuren hinterlassen haben.

Eskaliert ist die Situation, als vor rund fünf Wochen ein Team des Fernsehsenders Vox auftauchte und für das Tiermagazin „HundKatzeMaus“ Filmaufnahmen machte, um auf die Zustände im Körschtal aufmerksam zu machen. Wegen Hausfriedensbruch habe er Anzeige erstattet, erzählt der Gastronom. Zudem hätten sie „gerade die beiden schlechtesten Hühner“ mitgenommen. „Um des Friedens willen“ habe er nach diesem Vorfall fast alle Tiere weg gegeben, so Principe. Die Schafe seien bei einem Metzger gelandet. Auch von seinen beiden abruzzischen Hirtenhunden habe er sich getrennt.