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Die Fachhochschulen haben Probleme, ihre akademischen Stellen mit qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern zu besetzen. Das soll ein Förderprogramm von Bund und Länder ändern. Die Hochschule Esslingen bekommt sechs Millionen Euro für ihr Qualifizierungskonzept.Wenn die Hochschule Esslingen eine Professorenstelle ausschreibt, ist der Rücklauf an qualifizierten Bewerbungen meistens sehr übersichtlich. „Die Deckung des Personalbedarfs im akademischen Bereich ist alles andere als einfach“, beschreibt Rektor Christof Wolfmaier die Situation. Bei den technischen Studiengängen tue man sich besonders schwer. „Hier in der Region buhlen namhafte Firmen um die besten Köpfe, aber natürlich wollen auch wir als Hochschule die besten Leute“, beschreibt der Rektor das Dilemma. Aber einfach sei die Stellenbesetzung auch in den Bereichen Wirtschaft und Sozialwissenschaften nicht, die an der Hochschule Esslingen ebenfalls angeboten werden. Das liegt auch an den besonderen Anforderungen einer Fachhochschule, für die seit den 2000er-Jahren der Begriff Hochschule für angewandte Wissenschaft (HAW) in Anlehnung an die englische Bezeichnung „University of Applied Sciences“ üblich geworden ist. Denn die Professorinnen und Professoren müssen nicht nur eine gute wissenschaftliche Ausbildung haben, das heißt, mindestens promoviert haben. Sie müssen zugleich aus der Praxis kommen: Fünf Jahre Berufserfahrung, davon drei Jahre außerhalb der Hochschule, sind Voraussetzung. „Bei uns ist der Karriereweg aber weniger strukturiert als an Universitäten. Das macht es für uns schwieriger“, sagt der Prorektor Forschung und Transfer, Sascha Röck. Ist die wissenschaftliche Laufbahn an einer Uni erst einmal eingeschlagen, gebe es aber oft kein Zurück mehr. Durch den Praxisbezug sei das an einer FH anders. Esslingen ist nicht allein mit dem Problem, professoralen Nachwuchs zu gewinnen, sondern er stellt inzwischen alle Hochschulen für angewandte Wissenschaften zunehmend vor Herausforderungen. Abhilfe und Unterstützung soll das bundesweite Förderprogramm „FH-Personal“ ermöglichen. Bund und Länder stellen dafür insgesamt 431,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Hochschule Esslingen gehört zu den 13 baden-württembergischen Hochschulen, die gleich in der ersten von zwei Förderrunden, einen positiven Bescheid bekommen haben. Sechs Millionen Euro Zuschuss stehen ihr nun für ein Qualifizierungskonzept des wissenschaftlichen Nachwuchses zur Verfügung, das über sechs Jahre laufen wird. Dabei geht es nicht nur darum, insgesamt mehr Personal zu finden, sondern vor allem sollen mehr Professorinnen gewonnen werden. Derzeit sind rund 23 Prozent der Professorenstellen weiblich besetzt, damit liegt die Hochschule Esslingen sogar leicht über dem Durchschnitt. „Wir streben aber einen höheren Frauenanteil an“, sagt die Projektleiterin und Gleichstellungsbeauftragte, Professorin Gabriele Gühring. Eine HAW-Professur sei ideal für Frauen, denn auf dem Weg dorthin baue man sich auch ein zweites Standbein in der Industrie oder Wirtschaft auf. Trotzdem gibt es viel zu wenig Bewerberinnen. „Dies zeigt, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die vor der Ausschreibung ansetzen. Denn wenn sich keine geeignete Frau bewirbt, kann auch keine berufen werden“, so Gühring. „Viele Frauen wissen gar nicht, dass sie qualifiziert wären“, bedauert sie. Das neue Qualifzierungskonzept soll zeigen, wie der Weg vom Studium bis zur Professur typischerweise ablaufen kann. Die Hochschule Esslingen hat dafür acht inhaltliche Schwerpunkte identifiziert zu den Themenclustern Nachhaltige Energietechnik, Mobilität, Smart Factory und Gesellschaft im Wandel. Hier möchte man ansetzen und dafür werden aus bestehenden Stellen Schwerpunktprofessuren gebildet. Konkret werden mit dem Förderprogramm acht neue Promotionsstellen in den unterschiedlichen Schwerpunkten für jeweils vier Jahre geschaffen. Dazu gibt es insgesamt 14 Postdoc-Tandem-Stellen, die mit 50 Prozent entweder an der Hochschule Esslingen oder an der Universität (Stuttgart oder Tübingen) arbeiten und zur anderen Hälfte bei einem kooperierenden Unternehmen. Dieses Programm geht drei Jahre. „Dabei ergeben sich tolle Synergien für alle Beteiligten“, betont Sascha Röck. Der akademische Nachwuchs wird dabei im Hinblick auf eine mögliche Bewerbung auf eine HAW-Professur betreut. Bei beiden Programmen sind die Bewerberinnen und Bewerber nicht nur in die Forschung eingebunden, sondern müssen auch Veranstaltungen für Studierende halten. „Wir können so Personal finden, das Erfahrung mit der Lehre hat. Die Bewerber haben Zeit, um sich auszuprobieren, und sie wissen am Ende, ob ihnen das liegt“, nennt Wolfmaier die Vorteile. Wer das Qualifizierungsprogramm durchläuft, hat nicht automatisch eine Professorenstelle in der Tasche. Jeder muss sich trotzdem bewerben und im Berufungsverfahren überzeugen. Genauso wenig kann aber auch die Hochschule sicher sein, dass Kandidaten nicht doch in die Wirtschaft abwandern. „Wir wissen noch nicht, wie das Spiel am Ende ausgeht“, sagt der Rektor.