Foto: Roberto Bulgrin
Ab 2026 haben Grundschüler ein Recht auf Ganztagsbetreuung. Ohne externe Partner wird das nicht umzusetzen sein. Welche Chancen und Schwierigkeiten das mit sich bringt, zeigt ein Esslinger Pilotprojekt mit der Silcherschule und Agapedia.
Viel Zeit ist nicht mehr. Vom Schuljahr 2026 an haben Eltern schrittweise ein Recht darauf, ihr Grundschulkind ganztägig betreuen zu lassen. Das gilt an fünf Tagen die Woche für maximal acht Stunden. Dieser Anspruch kommt – von einer vierwöchigen Schließzeit pro Jahr abgesehen – auch in den Ferien zum Tragen. Umsetzen müssen dies die Kommunen. Für die ist es ein Kraftakt, denn es gibt zu wenig Personal und in einigen Schulen fehlen schlichtweg Räume, um zusätzliche Kinder zu betreuen. Viele Kommunen im Kreis Esslingen arbeiten mit Hochdruck an Lösungen.
In Esslingen gibt es seit einem Jahr eine Kooperation zwischen der Silchergrundschule und dem Kinderzentrum Agapedia. Insgesamt ist das Pilotprojekt auf zwei Jahre angelegt. Sammeln will man damit wichtige Erfahrungen, wie die Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen bei der Betreuung funktionieren kann. Entstanden war die Idee aus einer Notsituation. In der Silcherschule gab es keinen Platz mehr, um die erforderliche dritte 16-Uhr-Betreuungsgruppe einzurichten. Nun wird im Wechsel immer eine der drei Gruppen auswärts im Kinderzentrum in der Ulmer Straße betreut. Die Stadt finanziert dafür eine halbe Fachkraft bei Agapedia. Beschäftigte des Kinderzentrums und der flexiblen Nachmittagsbetreuung kümmern sich gemeinsam um die jeweilige Gruppe. Die Kinder werden nach Schulschluss in das Kinderzentrum begleitet, dort gibt es Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und pädagogische Aktivitäten.
Von Anfang an war klar, dass das Projekt jährlich von einer Forschergruppe der Hochschule Esslingen professionell evaluiert werden soll. Jetzt wurden im Ausschuss für Bildung, Erziehung und Betreuung die Kernaussagen der ersten Untersuchung vorgestellt, für die Kinder, Eltern, Träger und Beschäftigte befragt wurden. „Die Rückmeldungen aller Projektbeteiligten zeigen klar den Mehrwert für die Kinder auf“, heißt es in dem Papier. Der räumliche Abstand zum schulischen Kontext und neue Gruppengefüge förderten Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl.
Deutlich wurde aber auch, dass hier zwei Welten aufeinanderprallen: So steht für das Kinderzentrum Agapedia als Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit die Freiwilligkeit der Angebote an erster Stelle. Im Rahmen der Grundschulbetreuung gibt es dagegen eine Betreuungspflicht. „Das verursacht durchaus Reibungen“, wie es Rebecca Kenner, Bildungsplanerin der Stadt Esslingen, formulierte. Zudem seien für das Personal die Zuständigkeiten oft nicht klar gewesen. „Vor allem zu Beginn wäre eine detaillierte Rollenklärung für die Mitarbeitenden vor Ort essenziell gewesen“, lautete eine Aussage der Evaluation.
Auch die Wünsche der Eltern nach maximaler Flexibilität stellt die Betreuungspersonen vor Herausforderungen. „Durch früheres Abholen oder Fernbleiben der Kinder konnten Angebote nur erschwert durchgeführt werden“, so ein Einwand. Eine Mitarbeiterin des Kinderzentrums will das Projekt deshalb bei den Elternabenden der Schule erläutern. Mütter und Väter sollen zudem zu einem Besuch bei Agapedia eingeladen werden. Verbunden ist damit die Hoffnung, dass Kinder verlässlicher an den Nachmittagsprogrammen teilnehmen. Die Evaluation hat auch ergeben, dass das Erledigen der Hausaufgaben für einige Eltern einen hohen Stellenwert hat und aus deren Sicht hier noch nicht alles rund läuft. Dieses Thema wollen die Projektbeteiligten deshalb nochmals in den Fokus nehmen. (pep)