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Ökologische Landwirtschaft unter Zugzwang

Foto: Ines Rudel

Sich an den Klimawandel anzupassen, bedeute für Landwirte,  zu lernen mit veränderten Rahmenbedingungen umzugehen, sagt Bernd Habeck, der Geschäftsführer der Bioland-Handelsgesellschaft in Esslingen, die sich auf die Beratung von Landwirten und den Vertrieb von ökologischem Saatgut spezialisiert hat.  „Die Sommer werden trockener und heißer, und es kommt zu immer mehr extremen Wetterereignissen.“ Man brauche daher Pflanzen, die besser angepasst seien, beispielsweise mit einem besseren Wurzelsystem, das tiefer reicht und daher besser mit Trockenperioden zurechtkommt. Mit Auswahlzucht könne man bestimmte Eigenschaften gezielt herausarbeiten. Die Entwicklung neuer Sorten ist laut Habeck aber nicht nur zeit-, sondern auch kostenintensiv. „Die Auswahlzucht dauert im Schnitt zwischen zehn und 15 Jahren. Hinter jeder neuen Sorte steckt eine Investition von ungefähr einer Million Euro.“
Die Züchter bräuchten also eine weite Voraussicht, dass sich die Investition auch lohne. „Es geht letztlich nicht nur darum, das Saatgut anzupassen, sondern  es geht auch um die Bewirtschaftung“, sagt Habeck. „Das Kapital eines Landwirts ist der Boden. Der nachhaltige Umgang mit den Böden ist entscheidend.“ Trockene Sommer würden die Böden belasten. Starke Hitze sorge dafür, dass Regen nicht schnell genug im Boden versickern könne. Der Boden werde bei plötzlichem Starkregen abgespült und die im Erdreich vorhandenen Nitrate  würden  das Grundwasser schädigen.
Zudem gingen viele Nährstoffe verloren. Daher sei es sinnvoll, nach der Ernte der Hauptkultur, im Sommer, Zwischenfrüchte anzubauen. Diese spenden dem Boden Schatten, wodurch das Wasser weniger schnell verdunstet, sagt der Experte. Die Wurzeln würden den Boden halten und ihn vor Erosion durch Wind und Regen schützen. „Dadurch werden  auch die Gewässer geschützt, da die Nährstoffe durch Regen nicht ausgewaschen werden und somit auch nicht ins Grundwasser gelangen“, so Habeck.
Der weitere große Nutzen von Zwischenfrüchten sei die Eigenschaft, Stickstoff zu binden. „Der konventionelle Ackerbau setzt Stickstoffdünger ein. In der ökologischen Landwirtschaft werden sogenannte Leguminosen gepflanzt, die den Stickstoff binden und ihn für Folgekulturen verfügbar machen,“ sagt der Fachmann. Zu den Leguminosen, auch Hülsenfrüchtler genannt, zählen zum Beispiel Klee, Erbsen und Ackerbohnen.
Tendenziell werde beim Anbau verstärkt versucht, die Winterfeuchtigkeit möglichst effizient mitzunehmen. „Es geht momentan in die Richtung, dass die Sommer länger werden und es früher im Jahr warm wird. Das bedeutet, dass Winterungen –  also Saatgut, das im Herbst gesät wird und dann in gekeimter Form überwintert –  später ausgesät werden müssen, da sie sonst zu weit reifen, bevor der erste Frost kommt“, so Habeck. Die Pflanzen würden sonst Gefahr laufen, dass sie zu früh ein Wachstumsstadium erreichen, in dem sie nicht mehr winterfest seien und erfrieren würden. Sommerungen, die im Frühjahr gesät werden, müssten hingegen früher gesät werden, um die Bodenfeuchtigkeit des Winters zu nutzen.
Auch die Wengerter müssen sich dem Klimawandel anpassen: „Der Weinbau verlangt eine stetige Weiterentwicklung“, sagt Achim Jahn, Vorstandsvorsitzender der Weingärtner Esslingen. „Als ich Kind war, war es unvorstellbar, Anfang September zu ernten. Inzwischen ernten wir aber drei bis vier Wochen früher als noch vor 30 Jahren.“
Südeuropäische Rebsorten  wie Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot hätten in Folge der wärmeren Sommer eine Heimat an den Esslinger Hängen gefunden. „Es hat sich herausgestellt, dass sie zu Esslingen passen und auch reif werden“, sagt Jahn. Riesling werde inzwischen in den oberen Lagen, die etwas kälter und windiger seien, angebaut. Das Ergebnis seien leichtere Weißweine mit etwas weniger Alkohol.
Denn die Anpassung an den Klimawandel bedeutet für Jahn auch, sich den  Vorlieben der Weintrinker anzupassen. Heiße und trockene Sommer würden bedeuten, dass leichtere Weine mit weniger Alkohol beliebter werden. „Auch alkoholfreie Weine und Sekte werden immer gefragter“, so der Wengerter. Allgemein profitiere der Weinanbau von trockenen Sommern. Dadurch gäbe es keinen Fäulnisdruck in der Traubenlese. Fäulnisdruck bedeute: Trauben platzen aufgrund  zu hoher Feuchtigkeit oder erleiden Pilzbefall, fangen an zu schimmeln und zwingen  zur ­Eile bei der Lese. Dies sei im vergangenen Jahr der Fall gewesen. Trotz der trockenen Sommer seien die Esslinger Weinhänge ­bisher fast ohne Bodenbearbeitung klar­gekommen, da die begrünten Hanglagen das Wasser gut hielten und eine Ausschwemmung des Bodens auch bei starkem Regen verhinderten.
 Die Globalisierung brachte  neue Schädlinge wie die Kirschessigfliege nach Deutschland. „Die Kirschessigfliege ist 2014 in Esslingen angekommen. Sie macht uns jedes Jahr etwas nervös, wenn es der Ernte entgegen geht, aber bisher können wir damit leben“, sagt Jahn. Alle bisherigen Versuche, dem Schädling Herr zu werden, seien bislang erfolglos geblieben. Für die Esslinger Weingärtner kämen nur ökologische Schutzmaßnahmen infrage wie Besprühen der roten Trauben mit Kalk, um sie für die Fliege unattraktiver zu machen. Die Fliege,  müsse man wissen,  befalle nämlich nur rote Rebsorten. Versuchsweise werden inzwischen von den Esslinger Weingärtnern pilzresistente Rebsorten, sogenannte Piwis, angebaut. „Wir haben es mit Cabernet Carbon versucht, bei dem sich leider herausgestellt hat, dass er auf Dauer keinen Ertrag bringt“, so Jahn. Prior, Sauvignon Gris und Sauvignac seien vielversprechende Alternativen. Das größte Problem sei allerdings, neue Rebsorten dem Weintrinker nahe zu bringen.