Foto: Robin Rudel
Passender kann ein Ort für ein Dienstleistungszentrum zum Thema Leben und Tod kaum sein: Gleich am Esslinger Ebershaldenfriedhof baut der Bestatter Dorn sein neues Institut, das im Erdgeschoss liegt. Darüber werden Wohnungen gebaut.
Fröhliche Gesichter, Sekt, Bier und Häppchen, Kinderlachen und viel Familie beim Spatenstich zum neuen Beerdigungsinstitut der Firma Arthur Dorn. Aber in der Spatenstichrede von Manuel Dorn mischte sich neben der Erleichterung, dass der Bau endlich losgehen kann, ein Schuss Verbitterung: Die Stadt Esslingen, speziell das Baurechtsamt, habe es der Firma schwer gemacht. Es bekleckerte sich im Genehmigungsmarathon zumindest aus der Sicht der Bauherren nicht mit Ruhm. Dorn nannte es in seiner Festtagsrede Baurechtsverhinderungsamt. Eine Stellungnahme dazu seitens der Stadt Esslingen gab es zunächst nicht.
Beim anschließenden geselligen Beisammensein war der langwierige Genehmigungsprozess eines der Themen. Auch andere am Bauprozess Beteiligte klagten darüber: eine Wärmepumpe, ein Aufzug – irgendetwas habe nie gepasst, aber Lösungswege seien auch nicht aufgezeigt worden. Doch das scheint überstanden zu sein und mit einem breiten Grinsen gaben die Geschwister Manuel Dorn und Rebecca Kröß sowie Vater Rudolf Dorn den Bau frei. „Das war schwierig. Jetzt aber haben die Praktiker das Wort“, sagte Manuel Dorn.
Dorn investiert mehr als elf Millionen Euro
Das Projekt erscheint auf den ersten Blick außergewöhnlich, weil es etwas verbindet, was Menschen gerne strikt trennen, obschon es am Ende des Tages zusammengehört: Leben und Tod. Auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei Herrigel in der Esslinger Urbanstraße am südlichen Rand des Ebershaldenfriedhofs soll bis Ende 2025 das neue Beerdigungsinstitut entstehen sowie 14 Wohnungen, die zur Miete ausgeschrieben werden. Alles unter einem beziehungsweise zwei Dächern, denn es handelt sich um zwei Häuser, die mit einem Glasbau verbunden werden.
Investiert werden über elf Millionen Euro. Im Erdgeschoss sowie im Keller wird das Bestattungsunternehmen seiner Arbeit nachgehen, in den beiden Stockwerken darüber entstehen Wohnungen verschiedener Größe, die, so der Plan, im Mai 2026 bezogen werden können. Im Untergeschoss gibt es die Kühlräume für die Verstorbenen, zudem eine Tiefgarage. Zwischen Unter- und Erdgeschoss fährt ein Aufzug, der die Särge transportiert. Das Institut im Erdgeschoss gliedert sich grob gesprochen in einen Kunden- und einen Arbeitsbereich. Die Wohnungen darüber eignen sich für unterschiedliche Bedürfnisse, haben zwischen anderthalb und vier Zimmer und eine Größe zwischen 40 und 110 Quadratmeter.
Und es wird wieder Blumen zu kaufen geben am Ebershaldenfriedhof, denn in das Erdgeschoss soll ein Blumenladen ziehen. Das Blumen-Thema ist eng verknüpft mit dem Ort: Es gab eine Zeit mit vielen Blumenläden in der Urbanstraße. Irgendwann waren es nur noch zwei, schließlich keiner mehr. Auch nicht das Traditionsgeschäft Herrigel, das Anfang 2022 schloss. Der größte Friedhof in Esslingen ohne Blumengeschäft? Das fanden die Dorns merkwürdig, deshalb planten sie bei dem Bauprojekt einen Blumenladen mit ein.
Verkauf per Handschlag
Susanne Herrigel war es dann auch, die das Gelände an das Bestattungsinstitut Arthur Dorn verkaufte – der Name Arthur stammt vom Gründer des Unternehmens, dem Großvater von Manuel Dorn und Rebecca Kröß. Der Verkauf erfolgte per Handschlag auf der Terrasse zu Hause bei Dorns, als es den Blumenladen noch gab, aber Susanne Herrigel bereits über das Aufhören nachdachte. Der Handschlag hielt. „Eine Frau, ein Wort“, so Dorn über Herrigel.
Als der Plan 2022 bekannt wurde, gab es Widerstände in der Nachbarschaft. Es kursierte die Vorstellung, dass bald Särge auf den Bürgersteigen abgestellt würden. Bei einem Treffen wurden diese Bedenken ausgeräumt. Der Nachbarschaft würden keine Geruchsbelästigungen zugemutet, die Särge und Bahren würden in der Garage ausgeladen, infektiöse Verstorbene in einer Außenanlage in Aichwald aufgebahrt, reagiert Dorn auf die Gerüchteküche in der Urbanstraße. „Wir bauen hier auch keine Aussegnungshalle. Wenn sich Angehörige verabschieden wollen, können sie das tun. Aber die großen Abschiedsfeiern finden nach wie vor auf dem Friedhof statt. Wir machen der Stadt mit den Räumen zur Aufbahrung keine Konkurrenz.“
So wurde die Auseinandersetzung mit dem Baurechtsamt, die teilweise juristisch über die Bühne gebracht wurde, zur eigentlichen Herausforderung. Letztlich sei es auch einigen Stadträten – den Fraktionschefs der CDU, SPD, der Freien Wähler und der FDP – zu verdanken, dass das Projekt nicht frühzeitig aus den Angeln gehoben wurde. Sie setzten sich in einem gemeinsamen Brief an die Rathausspitze für das Projekt ein. Der Baudezernent Hans-Georg Sigel habe den Bau ebenfalls befürwortet.
Blumengeschäft und Bestattungsunternehmen
Herrigel
Susanne Herrigel, die ihr Grundstück an die Familie Dorn/Kröß verkauft hat, gab ihren Blumenladen beim Ebershaldenfriedhof Ende Januar 2022 auf. Sie hatte das Geschäft im Jahr 1955 von ihren Eltern übernommen. „Es ist nicht ganz einfach für mich“, sagte sie seinerzeit, als sie die Aufgabe bekannt gab. Zur Begründung führte sie ihr Alter, die körperlich anstrengende Tätigkeit, die Sieben-Tage-Woche und den Stress an. Der Fachkräftemangel und die schwere Rekrutierung von Personal hätten das „Aus“ ihres Traditionsgeschäfts beschleunigt.
Dorn
Das Bestattungsinstitut wurde 1968 von Arthur Dorn in Aichschieß gegründet. Arthur Dorn war gelernter Schreiner. Als ihm eines Tages ein Bestattungswagen angeboten wurde, machte er sich im Juni des Jahres 1968 im Nebengewerbe als Bestatter selbstständig. 1973 zog er mit seiner Firma nach Esslingen in die Urbanstraße. Ab 1983 leitete der Sohn Rudolf das Familienunternehmen. Der Wechsel in die dritte Generation vollzog sich im Jahr 2012. (jmf)