Foto: Verkehrsministerium
Das Land legt beim Radschnellweg eine Kehrtwende hin. Noch im März hatte sich das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) als Planungsbehörde klar für eine Route nördlich des Neckars auf dem Abschnitt zwischen Esslingen und Altbach ausgesprochen – und war dem Vorschlag der Esslinger Stadtverwaltung für eine Südtrasse mit Skepsis begegnet. Im jüngsten Mobilitätsausschuss hingegen stellte das RP nun eine südlich des Neckars verlaufende Strecke als Vorzugstrasse vor. Das Gremium mochte sich am Montag allerdings noch nicht auf die neue Route festlegen – zu viele Fragen seien noch offen, so das Argument. Konkret geht es den Esslingern um den Abschnitt zwischen dem Esslinger Merkelpark und der Gemarkungsgrenze von Altbach. Das Land hatte hier eine Trasse am Nordufer des Neckars entlang und durch das Naturschutzgebiet Alter Neckar nach Altbach favorisiert. Doch die Stadtverwaltung sowie örtliche Naturschutzverbände hatten erhebliche Bedenken angemeldet, weil sie zu große Eingriffe in Grünflächen befürchteten. Auch die Standortinitiative Neue Neckarwiesen (SiNN) und andere Interessensgruppen hatten sich ablehnend geäußert. Deshalb hatten sich Regierungspräsidium und Stadtverwaltung darauf geeinigt, in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe alternative Trassen zu entwickeln und anhand einheitlicher Kriterien zu bewerten. Dabei wurden sowohl Varianten nördlich als auch südlich des Neckars unter die Lupe genommen. Als Ergebnis stellte Tobias Twietmeyer vom RP am Montag die sogenannte Route Süd II als neue Vorzugstrasse vor. Diese soll vom Merkelpark Richtung Osten zunächst nördlich des Neckars entlangführen und auf Höhe des Landratsamts dann über den noch zu ertüchtigenden Alicensteg auf die Südseite wechseln. Von dort aus geht es weiter Richtung Sirnau und entlang der Kreisstraße K 1215 südlich an dem Esslinger Stadtteil vorbei. Auf Höhe der Kreuzung mit der Esslinger Straße in Deizisau soll der Radschnellweg dann wieder auf die nördliche Seite des Neckars nach Altbach führen – um dann wieder ans Südufer nach Deizisau zu wechseln. Ausschlaggebend für die neue Trassenführung sei das Naturschutzgebiet zwischen Esslingen und Altbach gewesen, erklärte Twietmeyer. Denn die Nordroute hätte dieses queren müssen, was einen erheblichen Eingriff in das Schutzgebiet bedeutet hätte. Daher müsse man schon aus rein rechtlichen Gründen diese Strecke verwerfen. Denn wenn es eine Alternative zu einem solchen Eingriff gebe – wie in diesem Fall die Südtrasse –, müsse zwingend auf diese ausgewichen werden. Andernfalls verstoße man gegen das Naturschutzgesetz und müsse dann im Zweifelsfall im laufenden Verfahren umplanen. Bei der Bewertung der verschiedenen Strecken wurden sowohl verkehrsplanerische als auch landschaftsplanerische Kriterien angelegt. Dabei stellte sich zwar heraus, dass die Südtrasse im Hinblick auf die Anbindung an die Esslinger Wohngebiete sowie auf die voraussichtliche Zahl der Nutzer schlechter abschneidet als die Nordvariante. Zudem wird im Süden mit mehr Flächenversiegelung und höheren Kosten gerechnet, nämlich mit 21,6 Millionen Euro statt der 18,3 Millionen Euro für die Nordtrasse. Dennoch hält man die Variante Süd II nun für geeigneter – vor allem, weil sie nicht durchs Naturschutzgebiet führt und weil hier die Qualitätsstandards für Radschnellwege besser eingehalten werden können. Baubeginn könnte laut RP im Jahr 2026 sein. Im Mobilitätsausschuss wurde die Alternativroute zwar prinzipiell begrüßt. Doch während insbesondere die SPD auf die Bremse trat, mahnten die Vertreter der örtlichen Radverbände zu einer zügigen Umsetzung der Pläne. Zudem forderten sie und Grünen-Stadtrat Jürgen Menzel einen schnellen Ausbau der innerstädtischen Radachse. „Der Radschnellweg ist weiter weg von der Wohnbebauung, deshalb muss die innerstädtische Radverbindung von Zell bis Mettingen absolute Priorität haben“, betonte Menzel. Zudem müsse umgehend der Verlauf des Radschnellwegs in Mettingen geklärt werden, um die Trasse als Gesamtpaket verabschieden zu können. Während CDU-Rat Tim Hauser, Sven Kobbelt (FDP) und Hermann Falch (Freie Wähler) gern schon am Montag ihr Plazet zur Südtrasse gegeben hätten, will die SDP zuvor noch einige Fragen geklärt wissen. SPD-Rat Andreas Koch: „Wir wollen nicht nur einen Rad-Schnell-Weg, sondern auch einen Rad-Gründlichkeits-Weg.“ Es gehe schließlich darum, die beste Lösung zu finden. Eine paritätisch mit Vertretern des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Esslinger Stadtverwaltung besetzte Arbeitsgruppe hat die möglichen Trassenvarianten für den Radschnellweg RS 4 anhand verschiedener Kriterien bewertet. Aus verkehrsplanerischer Sicht wurden die möglichen Baukosten beleuchtet, ebenso das Nutzerpotenzial, die Zahl der entfallenden Parkplätze, die Anbindung ans städtische Radnetz und mögliche Konfliktpunkte mit dem öffentlichen Nahverkehr. Hinzu kamen die Qualitätsstandards für Radschnellverbindungen des Landes Baden-Württemberg, die auf mindestens 80 Prozent der Strecke eingehalten werden müssen. So ist vorgegeben, dass die Steigungen maximal sechs Prozent betragen und Kurven einen Mindestradius von 20 Metern haben sollen. Zudem soll der Radweg möglichst vier Meter breit sein.