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Moschee nach 17 Jahren Bauzeit eröffnet

Foto: Roberto Bulgrin

Für die Esslinger und ihre Besucher gehört sie mittlerweile zum Stadtbild: Die weithin sichtbare Moschee in der Oberesslinger Rennstraße  sieht schon seit ein paar Jahren äußerlich fertiggestellt aus. Doch erst im vergangenen Jahr ist der Innenausbau abgeschlossen worden. Am vergangenen Wochenende hatten die Esslinger die Gelegenheit, das Gebäude auch von innen kennenzulernen und mit der Gemeinde die Eröffnung zu feiern.

In den vergangenen Wochen konnten die Gläubigen aus Esslingen und der Region anlässlich des Ramadan die neuen Räume bereits ausgiebig genießen. Zeitweise Hunderte Männer und Frauen begingen allabendlich im Erdgeschoss das Fastenbrechen, bevor sie in den Gebetsräumen im Obergeschoss zusammenkamen. Bis zu 650 Menschen können in der Moschee, die eine der größten im Land ist, beten. An Feiertagen sei auch mehr möglich, sagt  Erdal Senbay, der Dialogbeauftragter des Trägervereins der Moschee, der Türkisch-Islamischen Gemeinde Esslingen. Denn Gläubige finden auch in den Vorräumen des eigentlichen Gebetssaales, der sich mit seinen  zwei Emporen  über drei Stockwerke erstreckt, Platz.  Für die Architektur, die Moderne mit Tradition verbindet, erhält die Gemeinde oft Bewunderung von Besuchern. Besonders für den  in den Farben Weiß, Türkis und Gold gehaltenen Gebetssaal mit seiner großen Kuppel und einem  Kronleuchter.
Beeindruckt von  dieser sakralen Pracht zeigte sich kürzlich etwa der Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) bei einem Besuch. Und auch schon vor der offiziellen Eröffnung war das Interesse der Bevölkerung an dem Bauwerk groß. Er führe viele Schulklassen und andere Gruppen durch die Räume, berichtet Erdal Senbay. Es sei gelungen, für die Muslime in Esslingen eine schöne Moschee zu bauen. Und das freue nicht nur die Gemeinde, sondern auch die restliche Stadtbevölkerung. „Viele sind stolz, dass Esslingen eine Moschee hat“, ist Senbays Erfahrung. Darunter beispielsweise der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer, der schon bei einem Besuch zum gemeinsamen Fastenbrechen voll des Lobes für die Gemeinde und ihr Engagement etwa für Geflüchtete war, die in der Moschee eine Anlaufstelle finden. Klopfer wohnte selbstverständlich auch der offiziellen Einweihung am Wochenende bei.
So ungetrübt gestaltete sich das Verhältnis zwischen der Gemeinde und der Stadt allerdings nicht immer. In der mehr als 20 Jahre dauernden Planungs- und Bauzeit der Moschee mussten die Musliminnen und Muslime häufig um das Gelingen des Projektes bangen. Schon 1998 begangen die Gespräche mit der Stadt. Die Pläne wurden von Beginn an kontrovers diskutiert, neben Sorgen vor zusätzlicher Lärm- und Verkehrsbelastung traten grundsätzliche Bedenken der Anwohner zutage. Außerdem wurde lange über die Gestaltung des Gebäudes, die Zahl der Minarette und die Höhe  debattiert.  2001  verfügte der damalige Oberbürgermeister Jürgen Zieger eine „Denkpause“, infolge  der Terroranschläge vom 11. September wurden die kritischen Stimmen gegen das Projekt lauter. „Das hat uns sehr verletzt“, erinnert sich Senbay, dessen Gemeinde sich öffentlich von Extremismus, Terror und Gewalt distanziert und als weltoffen versteht.
Nach vielen Diskussionsrunden verabschiedete eine Mehrheit des Gemeinderates 2004 den Bebauungsplan und stellte die Weichen für den Moscheebau, der 2006 begann. Zwei Jahre darauf folgte die nächste Zäsur,  in der Finanzkrise kam die Spendentätigkeit  zeitweise zum Stillstand – und damit die Bauar­beiten. „Wir hatten große Angst, dass unsere Moschee eine Bauruine bleibt“, sagt Senbay. Einen nächsten Rückschlag bedeutete der Streit über das Minarett, das 60 Zentimeter höher als die erlaubten 25 Meter war und 2010 zurückgebaut werden musste. Danach verliefen die Arbeiten weitgehend ohne größere Zwischenfälle. 2011 wurde die goldene Kuppel fertiggestellt, 2018 der Kronleuchter montiert. Am Ende sind die einst mit etwa drei Millionen Euro veranschlagten Kosten auf mehr als fünf Millionen gestiegen – alles aus Spenden der etwa 500 Mitglieder und weiterer Förderer aus der Region.
Diese sind stolz auf ihre neue, repräsentative Gebetsstätte. Mittlerweile sei die dritte bis vierte Generation der einstigen türkischen Einwandererfamilien dabei, in Deutschland Moscheen zu bauen, erklärte kürzlich Erdinç Altunaş vom Landesvorstand der Ditib bei einem Besuch in Esslingen. „Sie wollen sich nicht mehr in den Hinterhöfen verstecken, sind Teil der Gesellschaft und möchten das zeigen.“
Der Ruf eines Muezzin erschallt über Esslingen nicht. Der Gebetsruf ertönt vor dem Gebet über einen Lautsprecher in den Innenräumen der Moschee. (gg)