Foto: Roberto Bulgrin
Esslingens größtes und weit über die Stadt hinaus bekanntes Bekleidungsgeschäft macht zu. Die Schließung des von den Inhabern geführten Modehauses Kögel Ende Januar 2024 steht in einer Reihe von Schließungen traditionsreicher Handelshäuser in Esslingen.
Das 1902 gegründete Unternehmen hatte erst vor drei Jahren in den Umbau des 2500 Quadratmeter großen Modehauses investiert. Das aber nutzte nichts. „Die massiven Einschränkungen durch die Pandemie haben auch bei uns zu erheblichen Verlusten geführt, die wir im Kreise der Gesellschafter noch ausgleichen konnten.
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine kommt nun aktuell die Inflation und damit verbunden ein deutlicher Rückgang im Konsumverhalten hinzu“, erläuterte Geschäftsführer Alexander Kögel die Hintergründe der Schließung. Gesellschafter sind außer ihm die Mutter Annegret Kögel und die Schwester Julia Huß. „Wir hätten gerne auch noch die 125 Jahre gefeiert, zusammen mit der Stadt“, sagte Kögel. Esslingen feiert 2027 seinen 1250. Geburtstag. „Aber diese Feier wäre für uns teuer geworden.“ Von einer Insolvenz sei man allerdings weit entfernt, so Kögel.
Glaube an stationären Handel
Alexander Kögel, der auch Vorsitzender der City-Initiative in Esslingen ist, glaubt zwar weiterhin an den stationären Einzelhandel in einer Stadt wie Esslingen. Doch nach intensiver Analyse sei der Gesellschafterkreis „zu der Überzeugung gekommen, dass es zukünftig nicht mehr möglich sein wird, ein Modehaus wie unseres rentabel zu betreiben. Schweren Herzens haben wir uns dazu entschlossen, unser Geschäft nach nunmehr 121 Jahren zum 31. Januar 2024 zu schließen.“ Wichtig sei gewesen, Herr des Verfahrens zu sein, bevor es zu spät gewesen wäre, so Kögel. „Es war uns wichtig, frei zu entscheiden, bevor der Zwang von außen kommt.“
Keinen Einfluss auf diesen Schritt hatte laut Kögel die Ansiedlung einer Filiale des Modeparks Röther im Neckarcenter mit einer Verkaufsfläche von 4400 Quadratmetern. Am Ostersamstag, wenige Tage nach der Eröffnung von Röther, habe sein Haus seinen umsatzstärksten Samstag im laufenden Jahr gehabt. Das Problem sei anders gelagert: „Wir sind zu klein und doch schon zu groß.“ Zu groß, weil er als Geschäftsführer nicht wie in einer kleinen Boutique alles selber machen könne. Aber auch zu klein, weil er im Gegensatz zu größeren Häusern mit mehreren Standorten die Verwaltungskosten nicht auf die Filialen verteilen könne.
In der Stadtverwaltung zeigte man sich geschockt. „Wir bedauern die Schließung dieses Traditionsunternehmens sehr. Es ist extrem traurig und bitter vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten für ihre Kundinnen und Kunden da sind“, sagte Esslingens Oberbürgermeister Matthias Klopfer. Betroffen sind etwa 50 Beschäftigte. Als sie informiert wurden, habe es Tränen gegeben, sagte Kögel. Auch ihm habe das Wasser in den Augen gestanden.
Die Schließung hat Konsequenzen für die gesamte Innenstadt und deren Entwicklung. Nach der angekündigten Schließung der Karstadt-Filiale sei dies „ein weiterer schwerer Schlag und herber Verlust“, sagte Klopfer.
Hoffnung auf Nachnutzung
Das Modehaus Kögel sei ein Unternehmen mit hoher Bekanntheit, das Esslingen und den Einzelhandel in der Innenstadt jahrzehntelang geprägt habe. Das Haus gehöre „für viele Esslingerinnen und Esslinger einfach zur Innenstadt dazu“. Kögel sei ein engagierter Händler, der viel investiert und modernisiert habe. Klopfer: „Umso bedauerlicher ist es, wenn solche Bemühungen nicht ausreichend sind.“ Mit Blick auf die Zukunft sagte Klopfer, er hoffe, dass es der Familie Kögel gelinge, eine attraktive Nachnutzung für die Flächen des Unternehmens zu finden, die den Einzelhandelsmix in der Innenstadt sinnvoll ergänzten. Seitens der Stadtverwaltung werde man die Familie Kögel hierbei unterstützen. Betroffenheit findet sich auch in den sozialen Medien. Beispielsweise schreibt eine Nutzerin auf Facebook: „Wie traurig. Ohne Worte, was in und mit Esslingen passiert.“ (jmf)