Foto: Marion Brucker
Patrick Leiter aus Esslingen hat mehr als 20 Drachen, die er nicht nur auf Drachenfesten präsentiert. Für ihn ist Drachensteigen zur Leidenschaft geworden.
Patrick Leiter schiebt sein Fahrrad mit dem 25 Kilogramm schweren „Drachengepäck“ über Esslingen-Berkheim zum Scharnhauser Park in Ostfildern. Bislang hat er weder E-Bike noch Auto, deshalb ist er bergauf ungefähr eine Stunde unterwegs. Gleich gegenüber dem Sportplatzgelände auf der freien Wiese ist sein Stammplatz. Als erstes stellt er sich in Blickrichtung zum Echterdinger Flughafen. Er lässt sich den Wind nicht um die Nase, sondern um die Ohren wehen. „Wenn ich an beiden Seiten gleichmäßig Zug spüre, dann weiß ich genau, ich stehe gegen die Windrichtung“, sagt er. Die ist für den 23-Jährigen Drachenfan aus Esslingen wichtig. 16 Drachen hat er von seinem Schlafzimmerschrank auf seinen Fahrradlastenanhänger an diesem Samstag gepackt – Rochen, Orkas, Haie und den Trilobit, ein urzeitlicher ausgestorbener Gliederfüßler. Ihn, er misst elf Meter, hat er wie auch seinen zwölf Meter langen Manta mit Mirco LED Lichterketten ausgestattet. So kann er die Drachen auch bei Dunkelheit steigen lassen.
22 stablose Einleiner zwischen drei und 30 Meter Länge hat er die vergangenen fünf Jahre entweder gebraucht oder neu gekauft, nach Bausätzen gefertigt oder selbst kreiert und von Hand genäht. Wie seine drei Orkas. Sie sind seine Lieblingsdrachen. Auch heute hat er sie mitgenommen.
Der Himmel ist wolkenverhangen, morgens hat es noch genieselt, die Temperatur liegt bei 8 Grad, doch Leiter lässt sich dadurch sein Hobby nicht vermiesen. Sein Motto lautet: „Jederzeit ist Drachenzeit“. Ihn halten weder eisige Temperaturen noch Schnee oder Hitze ab, Hauptsache der Wind stimmt. Den prüft er nicht nur vorab mit Hilfe der Wetterprognose – für diesen Tag sind bis zu 22 Stundenkilometer angesagt –, sondern auch vor Ort immer wieder. Die Profis nähmen teilweise ein Windmessgerät mit. „Ich kann es mit fünf Kilometer Unterschied fast genau sagen, wie stark der Wind ist, an dem Gefühl, wie er mir um die Ohren bläst“, verrät Leiter und holt einen Hammer sowie einen Bodenanker vom Lastenanhänger. Ganz unten hat er beides verstaut und darüber die Drachen in Beuteln eingerollt platziert. „Jeder Millimeter am Stauraum wird voll gefüllt“, sagt er. Das könne er von Berufs wegen aus dem Effeff. Er ist Fachkraft für Lagerlogistik.
Leiter sucht einen geeigneten Platz für den Anker. Es dauert. Sechsmal stößt er auf Steine, beim siebten Mal lässt sich der Anker endlich problemlos in die Wiese rammen. Dabei sind Geduld und Ausdauer gefragt. Leiter lässt sich nicht aus der Fassung bringen. Hauptsache sei, der Anker sitze tief und fest im Boden. Das ist wichtig für die Sicherheit. Drachen wie seine ließen sich nicht mit der bloßen Hand halten. 100 Meter ist seine Leine aus Polyester lang – die maximale Länge, die für Drachen erlaubt sei. Zwischen 45 Grad und 80 Grad wird er an ihr die Drachen in die Höhe steigen lassen. Ein Zug bis zu 300 Kilogramm könne darauf kommen. Deshalb sei das Material der Leine wichtig. „Eine dünne Leine bringt nichts. Die reißt sofort“, sagt er. Dann packt er Karabiner und einen Absatzachter aus, um die Leinen zu sichern. Es ist derselbe, wie er beim Klettern verwendet wird.
Zunächst lässt er seinen bunten Mantarochen steigen. Der Wind – optimal seien zwischen 15 und 40 Stundenkilometern – ist zunächst ausreichend. Doch dann lässt er wieder nach. Leiter holt seinen Lifter heraus. Der steigt auch bei wenig Wind in luftige Höhen und hilft, den Mantarochen wieder nach oben zu bewegen. Doch als Leiter auch noch einen Fisch steigen lassen möchte, wechselt die Windrichtung. Die Drachen stürzen zu Boden. Leiter beschließt, den Anker wieder aus dem Boden zu ziehen und ihn an einer anderen geeigneten Stelle erneut einzuschlagen. Es klappt. Nun bindet er auch noch einen Hai an und die vier Drachen steigen zum Himmel, bleiben senkrecht stehen. Einsam steht der Drachenenthusiast bei diesem unwirtlichen Wetter da, aber bei schönem begeistere er Spaziergänger oder Kinder. „Die finden meine Drachen stets sehr interessant“, erzählt er, ebenso wie Besucherinnen und Besucher von Drachenfesten. Auf neun davon hat er dieses Jahr seine Drachen präsentiert, nicht nur im Scharnhauser Park, sondern auch beim Drachenfest im hessischen Rodgau. Dort sei er knapp auf den ersten Platz beim Wettbewerb „Best-of-Show-Cup“ gelandet, erzählt er stolz während seine vier Drachen im Wind flattern.
Patrick Leiter hat als Kind seinen ersten Drachen fliegen lassen. Als er irgendwann einen stablosen Drachen sah, stand für ihn fest: Drachen steigen sollte sein Hobby werden. Ihn fasziniere einfach, wie die Drachen den Himmel verschönern. „Wer einmal vom Drachenfieber infiziert ist, bleibt es ein Leben lang“, behauptet er. Das vergehe nie. Mindesten alle zwei Wochen lässt er seine Drachen steigen.
Patrick Leiter rät, als Kind zunächst mit einem Leichtwinddrachen zu beginnen. Jugendliche könnten sich an größere Drachen heranwagen. Beim Einleinern können es für Anfänger welche mit einer Fläche von bis zu zwei Quadratmetern sein. Wichtig sei, dass der Pilot den Drachen halten könne beziehungsweise entsprechend mit einem Anker sichere, um sich und andere nicht zu verletzen. (mb)