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Seite 3 Redaktion

Kein bisschen abgehoben

Foto: Markus Brändli

Kleine Riesen-Helikopter, Snoopy in der Luft, Loopings, Schaumflieger: Warum die Modellfluggruppe Esslingen auf’s Fliegen fliegt. 

Ein Looping sollte es schon sein. Mindestens. Kann ja nicht so schwer sein. Die Hebelchen an der Steuerung nach links oder rechts, nach oben oder unten drücken – und das Modellflugzeug macht Kunststückchen. Nein, solche Gedanken sind Luftschlösser. Denn die kleinen Flugmaschinen oben zu halten, erfordert Fingerspitzengefühl. Dennoch hat die Modellfluggruppe Esslingen viele Nachwuchspiloten in ihren luftigen Reihen, die gerne mit den Erfahrenen abheben.

Dann mal ab mit dem kleinen Flugzeug. So schnell geht’s nicht. Das macht der Meister lieber selbst. Aus Jugendwart Martin Gulla spricht kein Misstrauen, sondern Flugerfahrung. Für Start- und Landemanöver brauche es ein gutes Händchen und ein sicheres Handling.

Doch Schäden an den Modellen durch Newcomer haben sich drastisch minimiert, seit sich der Verein robuste Lehrflugzeuge angeschafft hat. Sie sind aus Schaum und der Motor ist oben am Modell angebracht – selbst bei Bruchpiloten kann da wenig schiefgehen. Zudem – und darauf ist der erste Vorsitzende Michael Bäuerle sehr stolz – hat der Club ein Lehrer-Schüler-Modell. Neuling und Könner erhalten beide eine eigene Steuerung. Aber: „Der Lehrer hat immer Recht und das Sagen.“ In Gefahrensituationen kann der erfahrene Pilot die Steuerung übernehmen und der Neuling ist außen vor. Sogar einen rasanten Sturzflug Richtung Wald fängt Martin Gulla so unaufgeregt ab.

Eigentlich ist ja Jugendwoche auf dem Modellfluggelände nahe des Jägerhauses in Esslingen. Doch auch die Reiferen juckt es in den Fingern. Über Schaummodelle sind sie natürlich längst hinaus. Sie haben Doppeldecker-Oldtimer, Jets, Segelflieger und sogar Snoopy im Repertoire. Der Hund von Dauerfrustling Charlie Brown aus der Zeichentrickserie Peanuts geht in Esslingen oft in die Luft. Modellbauer Thomas Vögele hat ihn in Surferpose mit schickem Schal auf eine rote Platte montiert und sie mit allem versorgt, was zum Abheben nötig ist. So bekommt Snoopy Flügel.

Und nicht nur er. Michael Bäuerle lässt einen Blick auf sein Heiligtum zu – einen großen Helikopter, den er sich zum 50. Geburtstag gegönnt hat. Fliegen darf das Edelmodell nur er selbst. Schließlich stecken etwa 1000 Arbeitsstunden drin. Aufwändiger, höher, schneller, weiter, opulenter, sei aber nicht sein Ziel oder das seiner 87 Clubkameraden und -kameradinnen. Es ist die Faszination am präzisen Bauen, an der Technik, am Lösen von Problemen, am Schaffen von etwas Eigenen, die die Faszination des Modellbaus ausmachen, erläutert Schriftführer Andreas Hofmann.

Ausgelebt werden diese Freuden nicht allein open-air. Im Winter gehen die Modellflieger in der Sporthalle in der Blumenstraße in Esslingen in die Luft. Online üben an einem virtuellen Simulatorprogramm am dem Computer, ist auch möglich. Es ist sogar so lebensecht, dass es digitale Abstürze gibt. Nicht einmal bei Hardcore-Modellbauern ist das virtuelle Coaching verpönt. Es bereite auf das reale Fliegen vor, sorge für ein Gefühl fürs Handling, minimiere die realen Abstürze, sagen Vereinsmitglieder.

Reines Handwerk ist der Modellbau auch nicht mehr. Am 3D-Drucker können Teile für einen Flieger en miniature entstehen. Selbst das rufe kein Naserümpfen bei eingefleischten Schraubern und Tüftlern hervor, versichert Michael Bäuerle. Der Drucker würde die Teile zwar ausspucken, aber sie müssten dennoch zusammengebaut werden. Auch das gehe nicht mit einem Fingerschnippen.

Das mit dem In-die-Luft-Gehen ist sowieso nicht so einfach. Wie so eine Art Tower für Modellflieger fungiert der Flugleiter, der bei jedem Abheben dabei ist. Montags, mittwochs und freitags ab 16 Uhr übernimmt laut Michael Bäuerle ein Vereinskamerad diese Funktion, und während die anderen ihre Modellflieger starten, schaut er, ob der Luftraum frei und ein ungestörtes Fliegen möglich ist. Er warnt, wenn sich ein unbekanntes Flugobjekt nähert.

Hoch hinaus möchte der Club auch bei seiner Jugendarbeit. Ihr, sagt der erste Vorsitzende, wird vieles untergeordnet. Jugendwart Martin Gulla mit seiner Eselsgeduld wisse es, die Nachwuchsflieger zu begeistern, die Jugendwoche soll für eine weitere Bindung an die Gruppe sorgen, vereinseigene Flieger erleichtern den Einstieg in das Hobby auch in finanzieller Sicht. Das Vereinsheim auf dem Gelände beim Jägerhaus wurde auch für die Jugendlichen ab zwölf Jahren gebaut, damit sie Platz etwa für Reparaturarbeiten haben. Dank des Lehrer-Schüler-Fluggeräts sind sie nicht mehr so oft nötig. Es schafft einen leichteren Einstieg in die schwere Kunst des Modellflugzeugfliegens (sw).

Ein Termin zum Vormerken: Am Wochenende vom 27. und 28. September jeweils ab 10 Uhr lädt der Modellfluggruppe Esslingen zu ihren Flugtagen auf ihr Gelände beim Jägerhaus ein. Die Flugvorführungen beginnen an beiden Tagen um 10.15 Uhr. www.modellfluggruppe-esslingen.de