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Esslingen schwärmte vor Kurzem davon, wie weit die Stadt die Digitalisierung vorangetrieben habe. Aber es gibt Zahlen, die eine andere Sprache sprechen.
Die Stadt Esslingen und digitaler Spitzenreiter in Baden-Württemberg beim Bürgerservice – passt das zusammen? Laut der Stadtverwaltung ja. Sie treibe das Innenministerium „vor sich her“, betonte im November des vergangenen Jahres der Erste Bürgermeister Ingo Rust. Einige Stadträte rieben sich verwundert die Augen, der CDU-Stadtverband recherchierte nach. Und kommt zu dem Ergebnis: stimmt gar nicht. Anspruch und Wirklichkeit sind in Esslingen in diesem Zusammenhang wohl zwei Paar Stiefel“, erklärte Esslingens CDU-Stadtverbandsvorsitzender Tim Hauser. „Wer, wie die SPD-geführte Esslinger Rathausspitze kürzlich verlautbaren ließ, das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Kommunen bei der Verwaltungsdigitalisierung vor sich her treibe, muss auch entsprechend liefern“, forderte der Stadtrat. Das aber gäben Vergleiche mit anderen Kommunen nicht her.
Der CDU-Stadtverband nimmt Bezug auf eine Anfrage des örtlichen CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Deuschle an die Landesregierung. Der hatte sich Mitte November nach dem Stand der Digitalisierung in den Kommunen seines Landtagswahlkreises erkundigt. Die Antwort des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen liegt zwischenzeitlich vor. Das Ergebnis: Auf der Plattform „service-bw“ bietet die Große Kreisstadt Esslingen mit ihren fast 100 000 Einwohnern 48 digitale Dienstleistungen an. Zum Vergleich: Die 12 000-Einwohner-Gemeinde Neuhausen auf den Fildern bietet mehr als als doppelt so viele, nämlich 124 digitale Dienstleistungen an. Esslingen gehört bei den Online-Anträgen laut dieser Auskunft keineswegs zu den Spitzenreitern im Land und auch nicht im Landkreis. Hier laufen auf den vordersten Plätzen die Städte Göppingen (193 Leistungen) und Kirchheim (165 Leistungen) und sogar das 2000-Seelen-Dorf Jagsthausen (158 Leistungen) Esslingen den Rang ab.
Deuschle widerspricht Rust, die Stadt Esslingen treibe das Land vor sich her. Die Landesregierung sei keine Getriebene, sondern Möglichmacherin: „Wir haben mit einer milliardenschweren Digitalisierungsoffensive ganz konkret auch die Digitalisierung in den Kommunen gefördert.“ Allein schon beim Breitbandausbau habe man mit einer Förderung von mehr als einer Milliarde Euro deutlich mehr Wert auf eine leistungsfähige digitale Infrastruktur gelegt, als zuvor Grün-Rot, das dafür in fünf Jahren lediglich 73 Millionen Euro übriggehabt habe.
Damit habe das Land dazu beigetragen, dass im sogenannten Smart City Index mehrere baden-württembergische Kommunen führend seien, bei dem die smarten Technologien und digitalen Serviceleistungen von Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern bundesweit verglichen werden. Hinzu komme, dass Baden-Württemberg seinen Landkreisen, Städten und Gemeinden mit über 200 digitalen Verwaltungsleistungen bereits so viele Leistungen online zur Verfügung stelle wie kein anderes Bundesland. Deuschle: „Entscheidend ist jedoch, dass diese Leistungen auch wirklich überall aktiviert werden und online abrufbar sind. Da ist vor Ort teils noch Luft nach oben.“
Ingo Rust hatte sich bei seiner Aussage im November auf die sogenannte OZG-Taskforce berufen. Das ist ein informelles Netzwerk mit etwa 80 Kommunen, die in Eigenregie digitale Leistungen für die zentrale Service-Plattform des Landes entwickeln. In diesem Zusammenhang fiel das Zitat Rusts: „Wir treiben die Taskforce und das Innenministerium vor uns her.“