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Seite 3 Redaktion

Gerangel um den Wahltermin

Foto: Horst Rudel

Esslingen ist unverhofft im Wahlfieber – und die Fieberkurve zeigt steil nach oben. Denn Anfang Juli soll ein neues Stadtoberhaupt bestimmt werden. Nach dem angekündigten Ausscheiden von Oberbürgermeister Jürgen Zieger stehen Neuwahlen an, die Stadtverwaltung hat als Wunschtermin Sonntag, 11. Juli, angegeben. Zu früh, da Jürgen Zieger bis Ende September im Amt bleibt? Nein, meint das Regierungspräsidium Stuttgart. Denn die Verwaltung hat mit Blick auf die Terminplanung keine andere Wahl.

Reglement schreibt Zeitplan vor

Die Daten, Fristen und Stichtage für die Durchführung von Bürgermeisterwahlen sind laut Josephine Palatzky, Pressereferentin im Regierungspräsidium, durch die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg vorgegeben. Esslingens OB Jürgen Zieger habe bei Regierungspräsident Wolfgang Reimer die Versetzung in den Ruhestand zum Donnerstag, 30. September, beantragt. Der 66-jährige, scheidende Verwaltungschef habe dafür private Gründe angegeben und in einer persönlichen Erklärung seine Motive erläutert.

Enges Zeitkorsett

Eine Neuwahl werde somit wegen des Eintritts des Amtsinhabers in den Ruhestand notwendig, und Paragraf 47 Absatz 1 der Gemeindeordnung schreibt in diesem Fall eine Durchführung des Urnengangs „frühestens drei Monate und spätestens einen Monat vor Freiwerden der Stelle“ vor. „Somit wäre die Oberbürgermeisterwahl in Esslingen zwischen Donnerstag, 1. Juli, und Dienstag, 31. August, durchzuführen, und der Wahltag muss zudem ein Sonntag sein“, erläutert Josephine Palatzky. Die Gemeindeverordnung erlaubt in diesem Paragrafen nur eine Ausnahme von diesem Zeitkorsett: Der Wahltermin könne bis zu ein Jahr nach Freiwerden der Stelle aufgeschoben werden, „wenn die Auflösung der Gemeinde bevorsteht“. Das ist aber in Esslingen nicht der Fall.

„Rücktritt“ gibt es nicht

Einen „Rücktritt“ sieht das Landesbeamtenrecht nach Angaben des Regierungspräsidiums nicht vor: „Der Begriff ,Rücktritt’ könnte mit ,einer Entlassung aus eigenem Verlangen’ umschrieben werden. Jeder Bürgermeister hat wie jeder andere Beamte das Recht, jederzeit seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu verlangen.“ Liegen die Voraussetzungen für den Ruhestand noch nicht vor, werde der Betroffene aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Sind die Voraussetzungen für den Ruhestand während einer laufenden Amtsperiode aber gegeben, werde der Oberbürgermeister mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis in den Ruhestand versetzt. Das ist etwa nach einer Dienstzeit von 18 Jahren und dem Erreichen des 47. Lebensjahres möglich. Beamte auf Zeit können nach einer Gesamtdienstzeit von zwölf Jahren oder ab dem 60. Lebensjahr mit einer Gesamtdienstzeit von sechs Jahren in den Ruhestand gehen. Die Altersgrenze erreichen Bürgermeister mit Ablauf des Monats, in dem sie das 73. Lebensjahr vollenden.

Sondersitzung des Gemeinderats

Dienstzeiten, Zeitrahmen und Reglement sind also vorgegeben. Die genauen Modalitäten zum Ablauf der OB-Wahl werden laut städtischem Pressereferat in einer eigens anberaumten, öffentlichen Sondersitzung des Gemeinderats am Mittwoch, 21. April, um 18 Uhr im Großen Saal des Neckar Forums in der Ebershaldenstraße geklärt. Einziger Inhalt ist die OB-Wahl, beide Tagesordnungspunkte befassen sich mit ihrer Durchführung: Der Wahltermin und die Frist für die Einreichung der Bewerbungen sollen festgelegt und ein Gemeindewahlausschuss gebildet werden.

OB-Wahl vor den Sommerferien

Die Stadtverwaltung schlägt dem Gemeinderat nach Angaben von Pressesprecher Roland Karpentier bewusst einen Wahltermin vor den Sommerferien vor, die am Donnerstag, 29. Juli, beginnen und am Samstag, 11. September, enden. Ihr Wunschdatum wäre Sonntag, 11. Juli. Erreicht dabei kein Bewerber die absolute Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen, wäre ein erneuter Urnengang nötig. Diese Neuwahl muss laut Gemeindeordnung „frühestens am zweiten und spätestens am vierten Sonntag nach der Wahl“ abgehalten werden. Hierbei reicht die einfache Mehrheit aus, der Bewerber mit den meisten Stimmen hat gewonnen, bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Für eine mögliche Neuwahl schlägt die Verwaltung Sonntag, 25. Juli, vor. „Denn eine Wahl in den Sommerferien macht keinen Sinn“, sagt Karpentier.

Esslingen und sein Stadtoberhaupt

Der Amtsinhaber: OB Jürgen Zieger hatte Mitte März, ein Jahr vor Ablauf seiner dritten Amtsperiode, seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt: „Es gibt dafür keine äußeren Anlässe, aber meine Frau und ich möchten gerne noch ein anderes Leben ohne ausgefüllten Terminkalender und Sieben-Tage-Wochen führen“. Seit 1998 ist der 1955 in Herzogenrath geborene Sozialdemokrat OB in Esslingen, insgesamt hat der promovierte Architekt 33 Jahre lang verschiedene Wahlämter ausgeübt.

Der Nachfolger: Bewerber für das Bürgermeisteramt müssen laut Gemeindeordnung am Wahltag mindestens 25 Jahre alt sein und dürfen das 68. Lebensjahr noch nicht vollendet haben: „Wählbar zum Bürgermeister sind Deutsche im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes und Unionsbürger, die vor der Zulassung der Bewerbungen in der Bundesrepublik Deutschland wohnen“. Bewerber müssen zudem die Gewähr dafür bieten, dass sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten.