Foto: Roberto Bulgrin
Mit Graffiti-Kunst will die Stadt Esslingen gegen Schmierereien vorgehen. Zwei Künstlerinnen haben in ihrem Auftrag die Wand einer Bushaltestelle besprüht.
Bunte Farbenpracht statt graue Tristesse in der Esslinger Innenstadt – wer an der Bushaltestelle Merkel’sches Bad in der Neckarstraße aussteigt oder entlang läuft, dem springt seit Kurzem ein farbenfrohes Wandgemälde ins Auge. Anstelle einer langen grauen Betonwand zieren nun verschiedene Vogelarten wie Rotkehlchen, Graureiher, Nachtigall sowie Blaumeise die Fassade der überdachten Haltestelle. Auf der anderen Seite des Kunstwerks sind Pflanzen und Blumen zu sehen, die in der Mitte durch einen gelben Schrägbalken und einer orangenen, aufgehenden Sonne von den Vögeln abgetrennt sind.
Hinter der Graffiti-Aktion steht nicht nur der Gedanke, die grauen Wände in der Innenstadt zu verschönern und freundlicher zu gestalten, sondern vor allem gegen illegale Schmierereien vorzugehen und sie zu unterbinden: „Wir haben an vielen Wänden und Ecken in der Innenstadt das Problem mit Vandalismus in Form von Graffitis und anderen Schmierereien und das Wandgemälde soll eben an dieser Stelle als Hemmnis dienen, die Wand überhaupt zu besprühen“, sagt Klaus-Rainer Hillmann, Technischer Facility Manager des Amts Städtische Gebäude Esslingen. Denn ein Ehrenkodex unter Graffiti-Künstlern untersagt das Beschmieren anderer Kunstwerke. Teilweise müsse die Stadt fünfstellige Beträge in die Hand nehmen, um die besprühten Hausfassaden wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen.
Eventuell würden sich Leute darüber aufregen, warum die Stadt für ein Graffiti-Kunstwerk Geld ausgibt und es nicht für andere Zwecke nutzt, vermutet Hillmann. Dafür gebe es aber eine simple Erklärung: „Entweder wird das Geld jedes Mal ausgegeben, um die Wände immer wieder grau anzumalen sowie zu grundieren oder man investiert es für etwas Schönes.“ Die Betonwand an der Bushaltestelle ist eine von vielen Fassaden, die regelmäßig mit Graffiti-Tags besprüht werden.
So haben die beiden Künstlerinnen und Zwillingsschwestern Saskia und Nadja Hannabach aus Esslingen ihre Chance genutzt, indem sie die Initiative ergriffen und bei der Stadt angefragt haben, ob sie ihre Kunst auf eine graue Betonwand bringen dürfen. „Wir wollten andere damit ermutigen, sich künstlerisch einzubringen, denn die Stadt ist offen dafür und es gibt noch viele Ecken und Wände, die verschönert werden können“, sagt Nadja Hannabach. Das Motiv mit Konzept musste der Stadt im Vorhinein vorgelegt werden, aber genaue Vorgaben habe es nicht gegeben. „Wir malen sehr gerne Vögel und uns gefällt die Leichtigkeit und Positivität, die sie ausstrahlen“, sagt Saskia Hannabach. Ihre Kunst setze sich überwiegend mit Themen des Alltags auseinander.
Insgesamt dauerte es vier Tage lang, bis das Wandgemälde fertiggestellt war. Dabei kamen verschiedene Sprühtechniken und Schablonen für die Strukturen zum Einsatz. „Besonders gefreut hat uns, dass wir unmittelbar bei der Arbeit so viele positive Rückmeldungen der Passanten bekommen haben – auch die Schülerinnen und Schüler, die an der Haltestelle ausstiegen, sind begeistert gewesen“, sagt Nadja. Die Betonwand an der Bushaltestelle ist ihr erstes großes Graffiti-Kunstwerk gewesen, denn eigentlich arbeiten die Zwillingsschwestern mit Öl- und Acrylfarbe auf Leinwand. Ihre Werke sind bei verschiedenen Ausstellungen wie beispielsweise im Lammgarten oder in der Artfactory27 zu sehen. Und auch für die Zukunft haben die beiden schon Pläne: „Unser Ziel ist es, irgendwann ein Haus der Kunst zu gründen, wo die Menschen die Möglichkeit haben, sich künstlerisch auszuprobieren.“ (rob)