Foto: Roberto Bulgrin
Franziska Herb hat es bereits als Mai-Girl in den Fräulein-Kurvig-Kalender 2024 geschafft. Mit ihrer Teilnahme an der Miss-Wahl für Plus-Size-Models will die 35-jährige Esslingerin zeigen: alle Frauen sind schön.
Darf man eine Frau mit Körperfülle eigentlich nach ihrer Kleidergröße fragen? „Natürlich, sehr gern“, sagt Franziska Herb lächelnd und verrät ihre ohne zu zögern: 48. Dass sie damit nicht dem propagierten weiblichen Schönheitsideal entspricht, ficht die Esslingerin nicht an. Selbstbewusst trägt sie eine enge Jeans und ein farbenfrohes Oberteil. Nein, verstecken will sie ihre Rundungen nicht. Im Gegenteil: Sie präsentiert sie gern – zum Beispiel als Mai-Girl im „Fräulein Kurvig“-Kalender 2024. Und bei der gleichnamigen Miss-Wahl für kurvige Frauen wird sie nun vor großem Publikum auf dem Catwalk laufen.
„Natürlich wäre es schön, wenn ich gewinne“, gibt Franziska Herb unumwunden zu. Immerhin winkt der Siegerin ein Vertrag mit einer Agentur für Plus-Size-Models. „Das wäre mein Traum.“ Und was, wenn es nicht klappt mit dieser Karriere? Dann, sagt die gelernte Bankkauffrau ohne jede Spur von Enttäuschung, will sie weiterhin mit viel Freude als Coach bei einem Unternehmen arbeiten. „Es war schon bis hierhin eine unbeschreiblich aufregende Reise“, blickt Franziska Herb stolz auf die vergangenen Monate zurück, in denen ihr die beste Freundin immer wieder Mut machte. Sie hat viel in dieser Zeit gelernt. Auch über sich.
„Ich bin schön, so wie ich bin.“ Dieser Satz geht ihr heute leicht über die Lippen. Doch es hat lange gedauert, bis die 35-Jährige das selbst über sich sagen konnte. Es gab Zeiten, da hat sie sich für ihre Figur geschämt. In der Schule wurde „die Dicke“ gehänselt. „Die blöden Sprüche habe ich weggelächelt und mir nichts anmerken lassen. Wie es tief in mir ausgesehen hat, habe ich mit meiner kommunikativen Art überspielt“, erzählt Franziska Herb ganz offen. Geholfen hat ihr dabei auch der Rat ihrer Eltern: „Sei stark, setz dich durch.“ Und negative Erfahrungen macht doch schließlich jeder, fügt sie hinzu. „Es kommt darauf an, wie man damit umgeht.“ Ihr Erfolgsrezept: „Positiv denken. Sei gut zu anderen und vor allem zu dir selbst.“
Auch wenn sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung langsam etwas verändert: Leicht hat man es als kurvige Frau nicht immer, räumt die Esslingerin ein. Die abschätzigen Blicke von schlanken Menschen, die sie unverhohlen mustern, spürt sie schon noch. Inzwischen macht es ihr aber nichts mehr aus, was andere über sie denken. „Ich fühle mich wohl in meinem Körper. Ich will nichts daran ändern.“ Die Zeit der Diäten und des unvermeidlichen Jo-Jo-Effekts ist vorbei, sagt sie fröhlich. „Was ist das denn für ein Leben, wenn man nicht genießen darf?“
Disziplin und Bewegung
Ja, sie isst gern. Aber bewusst. „Und zum Ausgleich treibe ich Sport. Ich liebe Zumba. Das mache ich regelmäßig einmal in der Woche.“ Zudem mag sie Fahrradfahren und Wandern, sie schwimmt gern, macht täglich Yoga-Übungen. Fit zu sein ist Franziska Herb wichtig: „Ich möchte mir auch noch im Alter meine Schuhe zubinden und Treppen steigen können.“ Seit einigen Jahren hält sie mit Disziplin und Bewegung konstant ihr Gewicht. „Mit 20 Kilo weniger wäre ich auch nicht glücklicher“, weiß sie aus Erfahrung: Von Kleidergröße 40 bis 54 hat sie schon alles gehabt.
Viel wichtiger als die Figur ist eine positive Ausstrahlung, sagt Franziska Herb mit Verve. Ihre starke Persönlichkeit und ihre inspirierende Lebenseinstellung haben auch die Macher von „Fräulein Kurvig“ überzeugt, eine Plattform für mehrgewichtige Menschen, die sich den Themen Körperbewusstsein und Diversität verschrieben hat. Bei der Bewerbung für den Kalender 2024 waren Fotos ausdrücklich nicht gewünscht, vielmehr mussten sich die Kandidatinnen live vor einer Jury präsentieren.
Nun ziert die Esslingerin das Bild des Monats Mai. Sie strahlt, wenn sie vom Shooting im vergangenen August erzählt. Mit dem Motiv hat sie zwar erst gehadert – vor einer Wand voller knallgelber Quietscheentchen in einer Badewanne sitzend, die Haut nur bedeckt von ein paar schwarzen Gummi-Bällen. Doch die Pose sitzt trotz der eingeschränkten Bewegungsfreiheit perfekt, die Kamera hält einen Moment purer Lebensfreude fest. „Ich liebe dieses Foto“, schwärmt Franziska Herb. „Und meine Familie, mein Freund, mein gesamtes Umfeld ist sehr stolz auf mich.“
Ihre Reise bei „Fräulein Kurvig“ geht weiter: Die Esslingerin gehört zu den 24 Finalistinnen des Model-Wettbewerbs. Sie hat sich unter rund 2300 Bewerberinnen durchgesetzt. Am 16. Dezember findet die große Gala im Circus Probst in Krefeld statt, dann wird sie Mode für kurvige Frauen in der Manege präsentieren. Damit alles klappt, findet vor der Show ein dreitägiges Training mit allem Drum und Dran statt. „Ich bin unglaublich aufgeregt und freue mich schon riesig.“
Wie sich Franziska Herb bei der Miss-Wahl schlägt, darüber berichtet sie unter dem Namen „Zinchen88“ auf Instagram. Das soziale Netzwerk nutzt sie gezielt: „Ich sehe mich als eine Art Botschafterin, die jedem Mut machen möchte, zu sich zu stehen und aus sich selbst heraus schön zu sein.“
Das steckt hinter „Fräulein Kurvig“: Gründerin von „Fräulein Kurvig“ ist Marketing-Expertin und Autorin Melanie Hauptmanns, die selbst nicht dem sogenannten Gardemaß 90–60–90 entspricht. Sie gilt als Vorreiterin der Bodypositivity-Bewegung in Deutschland. Was einst als Non-Profit-Organisation begann, ist heute ein mehrfach ausgezeichnetes kleines Unternehmen, das Interessenten individuelle Coachings anbietet. Mit unterschiedlichen öffentlichen Veranstaltungen setzt sich das Team für mehr Körpervielfalt in den Medien und mehr Toleranz in der Gesellschaft ein.
www.fraeulein-kurvig.com.