Foto: Roberto Bulgrin
Von Göteborg bis Manolzweiler – die Spitzenweine der Esslinger Familie Kusterer werden inzwischen auch im europäischen Ausland ausgeschenkt. Und es hagelt Auszeichnungen.
Weltklasse-Weingut darf sich das Esslinger Weingut Kusterer neuerdings nennen. „Wir können es selbst noch kaum glauben“, sagt Monika Kusterer strahlend und Ehemann Hans nickt heftig, während Sohn Maximilian, dem die Eltern den Betrieb vor drei Jahren vertrauensvoll in die Hände gelegt haben, ganz ruhig wirkt. Die Auszeichnung im Weinführer Eichelmann, einem der vier führenden deutschen Publikationen, kommt pünktlich zum 40-jährigen Bestehen des Betriebs – gefeiert wird der Geburtstag voraussichtlich nächstes Jahr mit einer Veranstaltungsreihe.
Seit einigen Jahren hagelt es Auszeichnungen: Maximilian Kusterer war „Newcomer des Jahres 2020“ des renommierten Falstaff Weinguide Deutschland. Und die deutsche Ausgabe des Gault Millau Weinguide hat den 32-Jährigen in der Kategorie „Next Generation 2023“ ausgezeichnet. Und jetzt also der Aufstieg in die Weltklasse bei Eichelmann mit viereinhalb von maximal fünf Sternen. Lauter Erfolge, die hart erarbeitet worden sind, das lassen die Kusterers durchblicken – bei Gault Millau ist man immerhin schon seit 1994 gelistet.
Ein Riesenansporn
„Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch“, erklärt Maximilian Kusterer seine Zurückhaltung. Es gebe immer etwas, was er besser machen könne, aber diese Aufmerksamkeiten verstehe er natürlich als Riesenansporn beim Umbau des Weinguts. Nachhaltiger wirtschaften lautet sein Credo. Seit fünf Jahren werden die Reben bei Kusterers biologisch behandelt. Das dreijährige Zertifizierungsverfahren ist in vollem Gange, erläutert der junge Unternehmer, der wie Vater und Großvater keiner Genossenschaft angehört und seinem Vater dankbar ist, dass er bereits vor der Betriebsübergabe viele neue Ideen ausprobieren konnte.
Nach den jüngsten trockenen und heißen Sommern steht auch die Bodenpflege stark im Fokus. Kusterers setzen auf Humusaufbau, Unterpflanzungen und eine größere Dichte der Reben, die enger beieinander stehen sollen. Tröpfchenbewässerung sei noch kein Thema, dafür wolle man kein Trinkwasser einsetzen, und die Zisterne mit 10 000 Litern Fassungsvermögen sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und weil der Trollinger die Hitze nicht so gut verträgt, setzt der junge Winzer auf die Burgunderfamilie. Und die Sektproduktion will er ebenfalls ausbauen.
Immer wieder hat der Familienbetrieb von sich reden gemacht – auch architektonisch. So war es im Jahr 1991, als Familie Kusterer die Alte Kelter in der Unteren Beutau kaufte. Viele Jahre lang hatten sie das alte Gemäuer, das sich in einem bedauernswerten Zustand befand, bereits als Schuppen genutzt. Als aber Untersuchungen ergaben, dass man es mit einem mittelalterlichen Keltergebäude aus dem 13. Jahrhundert zu tun hat, entschied sich die Familie für eine aufwendige und denkmalgerechte Sanierung. Monika Kusterer legte selbst Hand an und strich schließlich das Fachwerk im originalgetreuen Sienarot auf Basis von Leinölfirnis.
Statt Mofa ein Filter für die Weinverarbeitung
Gut 20 Jahre später folgte der nächste Paukenschlag mit der 2012 fertiggestellten Gravitationskelter. Mitten in den Esslinger Weinbergen gelegen, gibt der Showroom im Obergeschoss den Blick frei auf die Reben, die Hans Kusterer von seinem Vater, einem Landwirt mit klassischem Gemischtbetrieb, übernommen hatte. „An der Laubfärbung jetzt im Herbst sieht man genau, welche Rebsorte wo wächst“, erklärt Kusterer und zeigt auf die Lagen voller Zweigelt, Chardonnay und Spätburgunder.
Für ihn stand schon als Junge fest, dass er Weingärtner werden will und auf die Lehre sattelte er noch das Studium als Weinbautechniker in Weinsberg drauf. Während sich andere 17-Jährige eher ein Mofa leisteten, kaufte sich Hans Kusterer damals lieber seinen ersten Filter. Kurz darauf lernte er seine spätere Frau Monika kennen und beide beschlossen, sich eine Existenz als Weinbauern aufzubauen. Auf diese Erfahrungen kann Sohn Maximilan nun aufbauen. Zu seiner Philosophie, weniger Technik einzusetzen, passt die Gravitationskelter – ebenfalls ein Familienprojekt. Hier werden die Trauben mithilfe der Schwerkraft verarbeitet und nach der natürlichen Sedimentation im Fass können viele Weine anschließend pur und unfiltriert abgefüllt werden. Monika Kusterer, die Maschinenbau und Produktionstechnik studiert hatte, konnte bei der Planung ihr Ingenieurinnenwissen voll einbringen.
Sohn Maximilian steuert den Betrieb derweil auf einem engeren Kurs. „Fokussiert“ wolle er vorgehen und das Programm verschlanken. Gleichzeitig kurbelt er den Handel mit europäischen Partnern an. Und der Falstaff lobt bereits die „geschlossen hochwertige Kollektion“.