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Esslinger Professoren behalten Bezüge

Foto: Roberto Bulgrin

Der Verdacht war bereits im Oktober des vergangenen Jahres aufgekommen. Im Januar wurde er öffentlich gemacht – nun hat er sich bestätigt. Die Hochschule Esslingen gibt zu, vor mehr als einem Jahrzehnt rechtswidrige Zahlungen an 52 ihrer Professorinnen und Professoren geleistet zu haben. Im Jahr 2008 sei „ein einmaliger besonderer Leistungsbezug ohne oder ohne eine ausreichende Leistungsbewertung gewährt worden“. Zu diesem Ergebnis sei die besoldungsrechtliche Aufarbeitung der Vorgänge gekommen, die in den vergangenen Monaten unter Begleitung des Stuttgarter Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst durchgeführt worden sei.

Nach fehlerhaften Vergaben an anderen Hochschulen war auch in Esslingen genauer hingeschaut worden. Im Oktober 2021 hatte die Hochschule das Wissenschaftsministerium nach früheren eigenen Angaben über mögliche Unregelmäßigkeiten informiert. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart nahm Ende Januar Ermittlungen dazu auf. Nun bestätigt die Kanzlerin Heike Lindenschmid, dass unter dem damaligen Hochschulrektor Bernhard Schwarz rechtswidrige Vergaben erfolgt seien. So seien „Berufungsleistungsbezüge im Nachhinein erhöht und Leistungsbezüge ohne beziehungsweise ohne hinreichende Leistungsbewertung gewährt“ worden. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums in Stuttgart handelt es sich um eine Summe in Höhe von insgesamt etwa 1,6 Millionen Euro.

Eine Rückzahlung oder Rückerstattung der rechtswidrig erfolgten Leistungen durch die betroffenen Professoren wird es laut Kanzlerin nicht geben. Die Prüfung der Vorfälle habe nach Einschätzung der Hochschule ergeben, dass die Voraussetzungen für die Leistungen gegeben gewesen wären. Die Professoren hätten die erforderlichen besonderen Leistungen tatsächlich erbracht: „Die Einmalzahlungen konnten entsprechend den verwaltungsrechtlichen Regelungen belassen werden.“ In allen Fällen, so ergänzt das Ministerium, hätten die entsprechenden Leistungsbewertungen nachgeholt und konkretisiert werden können.

Bei den 40 im Nachhinein erhöhten rechtswidrigen Berufungsleistungsbezügen sind laut dem Ministerium ebenfalls keine Korrekturen notwendig: „Hier wurde überprüft, ob die Leistungsbezüge seinerzeit auf einer anderen rechtlichen Grundlage hätten bewilligt werden können.“ Die Hochschule habe die Leistungen aller betroffenen Professoren umfassend evaluiert und erwogen, inwieweit diese Leistungen einen besonderen Leistungsbezug rechtfertigen: „Die Prüfung ergab, dass zum Zeitpunkt der Gewährung die Voraussetzungen vorlagen, um den Professorinnen und Professoren anstatt der erhöhten Berufungsleistungsbezüge besondere Leistungsbezüge in mindestens der gleichen Höhe zu bewilligen.“

Zu den Gründen für die Unregelmäßigkeiten befragt, verweist die Kanzlerin darauf, dass sich die Vorgänge in der Vergangenheit und im Jahr 2008 ereignet hätten: „Die Vergabeentscheidungen wurden vom damaligen Rektorat getroffen.“ Es könne heute nur schwer, wenn überhaupt, beurteilt werden, wie sich die Sach- und Rechtslage den damals handelnden Personen dargestellt habe und wie es zu den Entscheidungen gekommen sei. Doch die von den rechtswidrigen Vergaben betroffenen Professoren seien nach Angaben der Kanzlerin schriftlich und in persönlichen Gesprächen über die Lage informiert worden.

Auch die Hochschulöffentlichkeit insgesamt sei über die aktuellen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt worden, so Lindenschmid. Die Einrichtung sei froh, dass diese Vorgänge nun verwaltungsrechtlich aufgearbeitet worden seien: „Eine offene Kommunikation und Transparenz waren entscheidend, die für die Hochschule insgesamt schwierige Situation gemeinsam zu meistern.“

Das Wissenschaftsministerium des Landes verweist bei der Frage nach den Ursachen ebenfalls auf die früheren Hochschulakteure: „Die Vergabeentscheidungen wurden vom damaligen Rektorat im Jahr 2008 getroffen. Wie es dazu kam, kann seitens des Ministeriums nicht beurteilt werden“, sagte Sprecher Roland Böhm. Die Behörde prüfe derzeit mögliche Regressansprüche. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski, die das Amt Ende September von ihrer Vorgängerin Theresia Bauer (beide Grüne) übernommen hatte, stellte sich hinter die Hochschule Esslingen: „Meine Anerkennung gilt dem Rektorat der Hochschule Esslingen, das diese enorm umfangreiche Aufarbeitung mit großem Engagement bewältigt hat.“

Ob sich die Staatsanwaltschaft den Einschätzungen von Hochschule und Ministerium anschließt, blieb zunächst offen. Zum Stand und zu einer möglichen Fortführungen der Ermittlungen wollte die Behörde zunächst keine Angaben machen.