Foto: Roberto Bulgrin
Für das einzige Warenhaus der Stadt spitzt sich die Situation weiter zu. Nach der Kündigung des Vermieters kommt nun die Ankündigung des Konzerns, weitere 40 Filialen im Bundesgebiet schließen zu wollen. Damit dürften auch die letzten Hoffnungen schwinden. Lange Jahre hieß es, die Esslinger Karstadt-Filiale zähle zu den umsatzstärksten der Region. An ihr und ihren Mitarbeitenden liegt es also mutmaßlich nicht, wenn der Konzern wieder einmal insolvent ist. Bisher hat Esslingens einziges Warenhaus alle Standortdiskussionen überlebt – ob es nun Hertie, Karstadt oder Galeria hieß. Doch jetzt scheint es so gut wie keine Hoffnungen mehr zu geben, dass das Kaufhaus in der Bahnhofstraße nicht zu den rund 40 Filialen gehört, von denen sich der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzern trennen will. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es freilich nicht. „Über einzelne Standorte, die jetzt Gegenstand einer sehr sorgfältigen Einzelfallbetrachtung und Analyse sind, können wir zu diesem Zeitpunkt noch keine Aussagen treffen“, blieb Franziska Linnemann, Pressesprecherin im Essener Konzern, am Mittwoch erwartungsgemäß schmallippig. Wunder gibt es immer wieder. Aber es bräuchte in der Tat ein Mirakel, wenn der Esslinger Einzelhandel weiterhin auf seinen Kundenmagneten bauen könnte. Denn die Gefahr für die rund 80 Mitarbeitenden (Stand Mai 2022) und ihre Kundschaft kommt nicht nur aus Essen: Mitte Mai hatte der Eigentümer und Investor BPI Esslingen dem Kaufhaus gekündigt – und spätestens seit diesem Zeitpunkt sieht man ihm auch an, dass dort nichts mehr investiert wird. Er wolle bei der geplanten Weiterentwicklung von Parkhaus und Kaufhausgebäude nicht mehr auf Karstadt setzen, ließ Tom Walsh, einer der BPI-Geschäftsführer, verlautbaren. Die langwierigen Gespräche seien definitiv gescheitert, Karstadt blockiere die Entwicklung. Was die Esslinger Karstadt-Chefin Gabriele Post energisch bestritt: Der Investor wolle sie aus ihrem langfristigen Mietvertrag drängen, obwohl der bis Mitte 2026 mit Verlängerungsoption bis 2036 zugunsten von Galeria laufe. „Wir möchten das Warenhaus in Esslingen nach unserer Strategie Galeria 2.0 ausbauen. Neben einer deutlichen Verbesserung in der Warenpräsentation und -darstellung würde das komplette Haus modernisiert“, so Post damals gegenüber unserer Zeitung. Auch in der Konzernzentrale äußerte man sich „rundum zufrieden“ mit dem Standort, bei dem man sehr viel Potenzial sehe, hieß es im Mai aus Essen. Bis vor wenigen Tagen sah es noch so aus, als ob die Zukunft des Esslinger Karstadts am 18. November vor dem Stuttgarter Landgericht geklärt werden würde, wo der Mietstreit verhandelt werden soll. Bei dem jüngsten Versuch, den Karstadt-Parkplatz zu überbauen und das Kaufhausgebäude weiterzuentwickeln, handelt es sich um den dritten Anlauf, das innerstädtische Filetstück zwischen Bahnhof-, Martinstraße und Ehnisgasse weiterzuentwickeln. Lag der Fokus zu Beginn der Planungen vor zwölf Jahren noch auf dem Thema Einzelhandel und einer Ladenpassage, hat die Investorenseite auf die Entwicklungen im Einzelhandel reagiert und den Schwerpunkt immer mehr auf Wohnungen verlagert. 160 neue Wohnungen sollen auf dem Parkplatz und in den Obergeschossen des Kaufhauses entstehen, zudem gebe es auf 10 470 Quadratmetern „im Bestandsgebäude“ Platz für Läden und Büros sowie auf 1800 Quadratmetern in den Neubauten, schrieb der Investor im Juli dann in einer Anzeige. Von Karstadt war keine Rede mehr. Dabei war der Esslinger Gemeinderat dem Investor beim Bebauungsplanverfahren weit entgegengekommen – obwohl es massive Kritik an der Höhe und Dichte der geplanten Bauten an der sensiblen Nahtstelle zur Altstadt gegeben hatte. Dennoch musste BPI nur kleine Abstriche machen. Denn mit dem Ja des Gemeinderats hatten die Verwaltungsspitze um den damaligen Oberbürgermeister Jürgen Zieger und der Gemeinderat die Erwartungen verbunden, Karstadt vor Ort halten zu können. Rechtlich festgeschrieben war das aber nicht. Dieser Wunsch taucht lediglich in der Präambel des städtebaulichen Vertrags mit dem Investor auf. Auch sonst sind der Stadt die Hände gebunden. Aber es gibt noch keine Baugenehmigung. Das Baugesuch sei „unter anderem wegen Brandschutz und nachbarschaftlichen Einwendungen nicht genehmigungsfähig“, hieß es am Mittwoch aus dem Rathaus. „Wir sorgen uns natürlich um die Mitarbeitenden. Sie stehen vor einer ungewissen Zukunft mit ihrem Arbeitgeber. Und das ist in den aktuell schwierigen Zeiten eine hohe und zusätzliche emotionale Belastung für die Beschäftigten und deren Familien. Grundsätzlich ist Galeria ein wichtiger Frequenzbringer in unserer Stadt“, kommentiert der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer die zugespitzte Situation. Immerhin ist der Gerichtstermin in Sachen Mietstreit zwischen Karstadt und BPI noch nicht storniert. Das hat der Gerichtssprecher Sebastian Sonn am frühen Nachmittag des Mittwochs mitgeteilt. Sonn: „Aber das kann ja noch passieren.“ Der Versuch von BPI Esslingen ist der dritte Anlauf von Investoren, das innerstädtische Filetstück zwischen den moderneren Bauten in der Bahnhofstraße und den niedrigeren Altstadthäusern an der Ehnisgasse zukunftstauglich zu machen. Waren ursprünglich vor allem Ladenflächen geplant, sind es jetzt schwerpunktmäßig 160 Wohnungen neben Laden- und Büroflächen. BPI Esslingen ist Teil eines gemischt genutzten, innerstädtischen Fonds, der von ALTERX beraten wird. Er zielt auf Entwicklung, Sanierung und Neupositionierung von Einzelhandels- und gemischt genutzten Immo-Projekten in Deutschland, Großbritannien und Westeuropa ab.