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Esslinger hilft, die tibetische Kultur zu retten

Foto: privat

Der Esslinger Architekt Matthias Daxl baut derzeit als ehrenamtlicher technischer Berater in Indien im Auftrag der Deutschen Tibethilfe.

Dharamsala in der Himalaya-Region gilt als Klein-Tibet. Viele Exil-Tibeter leben dort, auch das geistige Oberhaupt Tibets, der Dalai Lama. Die Exil-Tibeter, die aus ihrer chinesisch besetzten Heimat geflohen sind, unterhalten dort ihre eigene Exilregierung mit dem Ziel, ihre buddhistische Religion, Traditionen und Kultur zu bewahren.

Um Kultur geht es auch im Projekt des Esslinger Architekten Matthias Daxl. In Dharamsala arbeitet er derzeit ehrenamtlich für die Deutschen Tibethilfe und baut zusammen mit zwei indischen Architektinnen aus Mumbai ein mehrstöckiges Wohngebäude für tibetische Künstlerinnen und Künstler. Diese jungen Menschen werden vom Tibetan Institute of Performing Art (TIPA) in traditionellen Tänzen, Gesang und Oper ausgebildet werden. „In den tibetischen Opern, die Ache Lhamo heißen, werden Geschichten aus der uralten tibetischen Kultur erzählt“, erklärt Matthias Daxl. „Im besetzten Tibet können diese Traditionen nicht mehr gepflegt werden, da die chinesische Regierung das unterbindet“, fügt er hinzu. Daher wird das Projekt von der Tibethilfe zusammen mit der tibetischen Exilregierung finanziert, um so die tibetische Kultur zumindest im indischen Exil zu bewahren.

Das TIPA-Wohnungsbauprojekt soll im Frühjahr 2026 fertig werden. Während der Planung und Realisierung des Wohnbauprojekts sind die landestypischen Anforderungen ans Bauen und die sehr hohen Anforderungen an erdbebensicheres Bauen zu beachten. „Satteldächer anstatt Flachdächer, damit die großen Regenmengen in der indischen Regenzeit ablaufen können und die Affen nicht auf den Dächern herumtoben“, erklärt Daxl. Da Dharamsala stark erdbebengefährdet ist, muss das ganze Gebäude in einer Rahmenbauweise geplant und die Hänge müssen durch zusätzliche Stützmauern abgesichert werden, damit keine Erdrutsche entstehen können.

Für Daxl steht auch nachhaltiges Bauen im Fokus: „Wir verwenden gerne Natursteine“, sagt er, so könnten die Unterhaltungskosten der Gebäude wie für das Streichen der Fassade vermindert werden. Auch in Indien mache sich der Klimawandel bemerkbar: „Es wird immer heißer, da müssen wir mittlerweile auch über innenliegende Dämmungen nachdenken“, so der Esslinger Architekt.

Den 55-Jährigen verbindet eine lange Geschichte mit der tibetischen Exilgemeinde. Als junger Mann wollte er Sozialarbeiter werden, interessierte sich aber auch für Entwicklungshilfe und Architektur: „Während meiner ersten Indienreise 1993 stellte ich fest, dass man auch mit der Planung und Bauen Menschen vor Ort helfen kann.“ Architektur sei für ihn gebaute Sozialarbeit.

Er studierte daraufhin Architektur und Städtebau in Potsdam. Während seines Studiums absolvierte er 1995 ein Praktikum im Architekturbüro des tibetischen SOS-Kinderdorfs in Dharamsala. Dort traf er auch den Dalai Lama und seine Schwester Jetsun Pema, die damalige Präsidentin der tibetischen SOS-Kinderdörfer, die von SOS Kinderdörfer International finanziert wurden. Seitdem unterhält Daxl enge private und freundschaftliche Verbindungen zu der tibetischen Exilgemeinde und reist in regelmäßigen Abständen nach Indien.

Daxl hat es seitdem im Auftrag von verschiedenen staatlichen und privaten Organisationen immer wieder nach Asien gezogen, so war er auch lange als Architekt in der Mongolei, Indien, Pakistan und Afghanistan tätig. In Europa betreut er als Projektsteuerer etliche Infrastrukturprojekte.

Sein erstes Projekt, eine Wohnanlage für tibetische Senioren in Dehradun, Nordindien, die vor mehr als 25 Jahren altersgerecht und nach nachhaltigen Kriterien geplant und realisiert worden ist, gilt mittlerweile als architektonisches Leuchtturmprojekt innerhalb der tibetischen Exilgemeinde. Danach hat er ein tibetisches Kinderdorf in Solan, Shimla, gebaut und Möbel für unterschiedliche Einrichtungen entworfen.

Aufgrund seiner engen Verbindung zu der tibetischen Exilgemeinde und seiner lang andauernden Erfahrungen als Architekt in der indischen Himalaya-Region betreut er das TIPA-Projekt. Man kennt ihn in der tibetischen Gemeinde: „Da kann es passieren, dass es heißt: ‚Da kommt ja der Architekt‘“ sagt Daxl mit einem Lächeln. Neben Esslingen ist Nordindien mittlerweile sein zweites Zuhause für ihn und seine Familie. (bs)