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Seite 3 Redaktion

Ein Anhänger Marke Eigenbau

Foto: Bulgrin

Mit 72 Jahren hat Lothar Weber das Campen für sich entdeckt. Statt Pauschalreisen zu buchen, nutzt der Esslinger seinen Campinganhänger fürs Verreisen.

 

Lässig sitzt Lothar Weber vor seinem Minicamper. Der Esslinger hat das Sonnensegel aufgespannt und berichtet von seinem Projekt. Innerhalb  weniger Monate hat der 72-Jährige, der seit sieben Jahren überzeugter E-Biker ist, einen Campinganhänger für sein Fahrrad gebaut.  
Auf die Idee ist der Mann aus dem Esslinger Stadtteil Sulzgries eher zufällig gekommen, als er in Youtube-Videos  stöberte. „Da gibt es haufenweise Tutorials“, erzählt Weber. Er blieb  bei Filmen hängen, die zeigen, wie man sich ein Campermobil selbst bauen kann. „Das will ich auch, das kann ich“, sagte er sich. Und machte sich ans Werk. Er begann mit der Planung und den ersten Skizzen – und funktionierte  seine Terrasse kurzerhand zur Werkstatt um.
Entstanden ist ein Gefährt, das 1,95 Meter lang und  88 Zentimeter breit ist. Es bietet auf wenig Platz eine ganze Menge Komfort: ein 70 Zentimeter schmales Bett mit Stauraum im Sockel. Hier hat Weber sogar eine kleine Campingtoilette verstaut, für den „Fall der Fälle“. An der gegenüberliegenden Seite findet eine Kühlbox Platz, und an der Schräge hängt sogar ein Fernseher, für den Weber die mobile Antenne bei Bedarf kurzerhand aufs Dach stellt. Dazu ein Minitisch, der sich auch außen anbringen lässt.
Tageslicht fällt durch zwei kleine Öffnungen mit Schiebefenstern aus Plexiglas und mit Mückenschutz. Die hat Weber selbst konstruiert. Auf die Frage, warum er keine Fertigluken aus dem Wohnwagenbau genommen hat, antwortet er amüsiert: „Das ist doch langweilig, wer macht denn so was?“
Improvisieren hat für den Kaufmann, der viele Jahre lang bei Festo als Messe-Logistikleiter tätig war, zum Berufsalltag gehört. Diese Erfahrung habe ihm auch beim Camperbau geholfen, erzählt der Esslinger.
Den Korpus seines Fahrradanhängers hat Weber aus leichten Styrodurplatten auf einer Unterkonstruktion aus Aluvierkantrohren befestigt und das Ganze zum Schluss mit einer wasserdichten Folie abgeklebt. Einfach, günstig und leicht sollte der Camper werden. So besteht die Garderobe lediglich aus einer Leiste mit Schrauben, während die Fernbedienung und andere wichtige Kleinteile  einen festen Platz in den Gepäcknetzen finden, die der Rentner an den Wänden befestigt hat.
Für Strom sorgt ein Solarpaneel, das allerdings anstelle der versprochenen 100 Watt selbst bei guter Sonnenausbeute höchstens die Hälfte liefert, wie der Bastler kritisch anmerkt. Aber für die Beleuchtung, die Lüftung  und das Nötigste reiche das aus, und manchmal falle sogar noch etwas Strom für den Fahrrad-Akku ab. Wenn Weber auf Tour geht, richtet er die Etappen trotzdem nach den Ladestellen für E-Bikes aus, denn der starke Akku, der auf 840 Wattstunden ausgelegt ist und damit eine ganze Menge Strom verschlingt, sei nötig, um den Anhänger einigermaßen komfortabel 50 bis 60 Kilometer weit voranzubringen.
Seine Jungfernfahrt hat den Rentner ins Neckartal bis nach Tübingen geführt. Zum Auftakt wollte er eigentlich nur kurz in Deizisau bei einem Bekannten vorbeischauen, doch schon vor der Rettichbar bremste ihn die erste Reifenpanne aus. So verbrachte Weber die erste Nacht auf Markung Oberesslingen. „Ich habe trotzdem wunderbar geschlafen“, sagt der 72-Jährige. Dem ersten Malheur sollten noch viele weitere Pannen folgen, doch das trübte Webers Freude nicht.
„Ich kann überall übernachten, wo ich keinen störe, das ist der Riesenvorteil von diesem Anhänger“, sagt er. Angst auf einsamen Stellplätzen hat der frischgebackene Camper nicht. Im Gegenteil: Er habe unterwegs schon viele nette Leute kennengelernt. Nicht einmal seine selbst konstruierte Wegfahrsperre habe er bisher eingesetzt, und er fürchtet nicht, dass ihn „böse Buben einfach in den Neckar schieben würden“. In Tübingen habe er aber gerne die warmen Duschen und die übrige Infrastruktur auf dem örtlichen  Campingplatz genutzt.
Denn die Jungfernfahrt sei ganz schön anstrengend gewesen. Alle sechs bis acht Kilometer waren die Räder am Anhänger ein Problem: „Ich habe die billigsten Räder genommen, die es für Fahrradanhänger zu kaufen gibt“, erzählt er. Die Folge dieses Anfängerfehlers war,  dass die Ventile aus Kunststoff mehrfach zu einem Plattfuß führten, weil sie den Scherkräften beispielsweise beim Wenden nicht standhielten. Jetzt will der 72-Jährige auf Räder mit der hochwertigeren Metallversion umsteigen.
Früher war Lothar Weber übrigens kein Campingfan, sondern machte eher als Pauschaltourist Urlaub. In dieser Zeit habe er viel von der Welt gesehen, erzählt er. Heute  möchte er mit Rücksicht auf die Umwelt aber nicht mehr in ein Flugzeug steigen. (com)