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Die Anfänge des Kulturzentrums Dieselstraße reichen bis in die frühen 1980er Jahre zurück. Und genau wie sich die Kultur stetig wandelt, so muss sich auch ein Veranstaltungshaus wie dieses immer wieder neu erfinden, ohne die eigenen Wurzeln dabei zu vergessen. Generelle Veränderungen in der Kulturlandschaft wurden durch die Einschränkungen der Coronazeit forciert. Dazu kommt in der Dieselstraße ein Generationswechsel – neue Mitstreiter mit neuen Ideen wollen gewonnen werden. Im Kulturzentrum in der Esslinger Pliensauvorstadt wurde bereits einiges auf den Weg gebracht. Doch die Herausforderungen sind geblieben. Vor allem die Finanzierung bereitet erhebliche Probleme.
Mit dem Abschied der langjährigen Geschäftsführerin Sabine Bartsch, dem sich abzeichnenden und bereits vollzogenen Rückzug langjährig Engagierter und den Veränderungen im Publikumsverhalten haben die Dieselsträßler im ersten Halbjahr 2023 einen Entwicklungsprozess unter dem Motto „Dieselstraße weiter denken“ auf den Weg gebracht. Ziel war es, „die Zukunft des Zentrums aktiv und strategisch zu gestalten, um zeitgemäß und aktuell zu bleiben und dem Selbstverständnis als soziokulturelles Zentrum gerecht zu werden, und die Zusammenarbeit aller Beteiligten aufeinander abzustimmen“.
Jüngeres Publikum im Blick
Programmatisch hat sich in den vergangenen Jahren bereits einiges bewegt. Mit Matthias Fugel verstärkt schon länger ein Veranstaltungsexperte das hauptamtliche Team, der bewusst auch jüngeres Publikum in den Blick nimmt. „Die Kunst besteht darin, neue Akzente zu setzen, ohne das zu vernachlässigen, was die Dieselstraße traditionell ausmacht“, steckt Geschäftsführerin Maren Weber den Kurs ab. Und so finden sich neben bewährten Veranstaltungen nun auch neue Formate wie das Parklücke-Festival, das zur Sommerzeit den Parkplatz vor dem Haus auf attraktive Weise neu bespielt. Diesen Weg will man konsequent weitergehen, um auch neue Zielgruppen anzusprechen.
Aktuelle Themen wie gemeinschaftliches Wohnen oder queeres Leben sollen künftig ebenfalls integriert werden. „Solche Bewegungen wollen wir aufgreifen und zeigen, dass sie im Haus ihren Platz haben“, sagt Wolfgang Hinz-Rommel, der sich im Vorstand um die Finanzen kümmert. „Das macht ein soziokulturelles Zentrum aus.“
Im Stadtteil Flagge zeigen
Sein Vorstandskollege Axel Englmann ergänzt: „Die Dieselstraße wurde als Kultur- und Kommunikationszentrum gegründet. Den Aspekt der Kommunikation wollen wir wieder stärker herausstellen.“ Auch im Stadtteil will man stärker Flagge zeigen. So werden etwa Projekte mit Geflüchteten aus dem nahen Roser-Areal angedacht. Und über allem steht ein Anspruch, den Maren Weber so formuliert: „Die Dieselstraße soll ein Ort sein, wohin Besucher gerne kommen und an dem sich Ehrenamtliche gerne engagieren. Ohne das ehrenamtliche Engagement, das uns seit jeher auszeichnet, könnte ein Kulturzentrum wie dieses nicht funktionieren.“
Die finanzielle Situation macht die Sache nicht einfacher. Ein negativer Jahresabschluss 2022 konnte noch aus Rücklagen ausgeglichen werden, alle Einnahmen und Ausgaben wurden auf den Prüfstand gestellt, die Personalkosten werden bis an die Schmerzgrenze reduziert, was möglich war, wurde optimiert, eine Spendenaktion zeigte die hohe Identifikation vieler Besucherinnen und Besucher mit dem Haus.
Doch mit Blick auf die Besucherzahlen ist das Coronatal noch nicht ganz durchschritten. Deutlich gestiegene Ausgaben, unter anderem für Energie und wegen der Inflation, belasten den Etat. Vor allem aber schlugen Mieterhöhungen durch den Eigenbetrieb Städtische Gebäude, von dem das Haus gemietet ist, zu Buche: Seit 2018 hat sich die Jahresmiete um 34 000 Euro auf 172 000 Euro erhöht. Dem steht ein städtischer Jahreszuschuss von 300 000 Euro gegenüber, aus dem auch die Miete bestritten werden muss. Die jährliche Anpassung der städtischen Förderung hält mit der Steigerung der Ausgaben nicht Schritt. Für 2023 soll es eine städtische Soforthilfe von 15 000 Euro geben – die strukturellen Probleme sind damit nicht gelöst.
„Wir haben schon immer sparsam gewirtschaftet und noch einmal jeden Stein umgedreht“, erklärt Maren Weber. „Aber irgendwann stoßen wir an Grenzen.“ Wenn weiter gespart werden muss, blieben nur Abstriche am Programm – oder begrenzte Möglichkeiten, Neues auf den Weg zu bringen. „Beides würde dem Haus nicht guttun, weil es ja unser Ziel ist, die Teilhabe weiter zu stärken“, gibt Axel Englmann zu bedenken. „Wir wollen ja alles tun, um noch attraktiver zu werden und damit noch mehr Publikum anzusprechen.“ Vor allem das Problem der hohen Gebäudemiete will der Vorstand nicht aus den Augen verlieren. „Die Miethöhe macht uns schwer zu schaffen. Sie war von Anfang an sehr hoch und hat sich weiter gesteigert“, sagt Wolfgang Hinz-Rommel. (adi)