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Das Geheimnis der Freimaurer hat einen Logenplatz

Foto: Horst Rudel/Freimaurerloge Esslingen

Der Stein wirkt unfertig. Im unteren Teil wurde er bearbeitet. Er hat eine quadratische Form, glatte Seiten, vier Ecken. Nach oben hin verlieren sich die strengen Konturen in geröllartige Unebenheiten, felsige Zacken, natürliche Formationen. Der Stein in den Räumlichkeiten der Esslinger Freimaurerloge „Zur Katharinenlinde“ sei ein Symbol für ihre Arbeit, erklären Andreas Krieg und Roland Klass, Meister vom Stuhl – eine Art Präsident. Jeder Mensch habe Ecken, Kanten und Unebenheiten wie der obere Teil des Steines. Doch angestrebt werden Harmonie und Klarheit über die eigene Lebensführung. Jeder Freimaurer solle ein wichtiger Baustein in der Gesellschaft werden. Klingt das nicht nach Anpassung, nach Konformität? Nein, meint Krieg, denn jeder müsse seinen Weg finden. Seit 75 Jahren strebt die Freimaurerloge dieses Ideal an. Sie wurde 1947 gegründet.

Ein Bild in den Räumlichkeiten in der Obertürkheimer Straße in Esslingen-Mettingen zeigt die Gründerväter, die mit honorigen Mienen in die Kamera schauen. Die Gesichter wirken geheimnisumwittert. Das mache einen Teil der Faszination Freimaurerloge aus, sagt Andreas Krieg. Das Mysteriöse, die Neugier darauf, nur Eingeweihten zugängliche Rituale, das Gemeinschaftserlebnis, die Suche nach einem weiteren Lebenssinn über Familie und Beruf hinaus, aber auch Bücher und Filme wie „Illuminati“ von Dan Brown wirken anziehend. Werden solche oder ähnliche Streifen im Fernsehen gezeigt, steigt die Zahl der Anfragen sofort an. Derzeit hat die Esslinger Loge 31 Mitglieder zwischen 23 und 87 Jahren mit einem Altersdurchschnitt von 56 Jahren.

Aufgenommnen werden nur Männer. Andreas Krieg begründet dies mit der Tradition, den Statuten, der Historie, den Vorschriften des Trägervereins, der „Grand Lodge of England“. Als die Logen 1717 in England, in Anlehnung an die Steinmetz-Bauhütten, gegründet wurden, gehörten dem Handwerk aufgrund der schweren körperlichen Arbeit und der untergeordneten sozialen Stellung der Frau nur Männer an. Zudem, ergänzt Andreas Krieg, würden sich Männer untereinander anders verhalten: „In Diskussionen geben sie sich in Abwesenheit von Frauen viel offener und weniger zurückhaltend. Es gibt dann kein Gockelgehabe, bei dem sich jeder profilieren möchte.“ Die Esslinger Loge habe aber regelmäßig „Veranstaltungen, bei denen Frauen teilnehmen dürfen und sogar besonders geehrt werden“.

Manche Praktiken bleiben Interna. Doch Roland Klass und Andreas Krieg geben sich offen. Ein wichtiger Baustein der Zusammenkünfte sind die Logenabende an einem Dienstag im Monat. Nach dem etwa 45-minütigen Vortrag eines Mitglieds oder eines Gastredners zu einem selbst gewählten Thema wird über die philosophischen, gesellschaftlichen oder historischen Inhalte des Referats diskutiert. Politik und Religion würden ausgeklammert, erklärt Roland Klass. Es gehe nicht darum, andere von der eigenen Meinung zu überzeugen. Es solle vielmehr ein Themenkreis von verschiedenen Seiten beleuchtet werden. Zweiter Teil der Logenphilosophie ist die Arbeit im Tempel an einem Samstag im Monat. In diesem Raum werden neue Mitglieder aufgenommen. Hier sollen nach einem festgelegten Ablauf, vorformulierten Dialogen und vorgeschriebenen Strukturen aber auch innere Einkehr, Vervollkommnung und Persönlichkeitsbildung erreicht werden.

Der Tempel mit seinen Pulten, Symbolen und Darstellungen wirkt sakral, feierlich, geheimnisvoll. Traditionen aus den Anfangszeiten werden hier gepflegt. Neumitglieder lernen sie erst nach und nach kennen, meint Andreas Krieg. Interessenten melden sich bei ihm. Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Kandidaten und der ersten Teilnahme an Treffen folgt eine einjährige Probezeit, nach der beide Seiten über den Verbleib des Anwärters entscheiden können. Nach einem Hausbesuch wird im Anschluss in der Loge über dessen Aufnahme abgestimmt. Religiöse, politische, finanzielle oder berufliche Kriterien sind nicht entscheidend, betont Roland Klass. In den Reihen der Esslinger Logen befänden sich auch Menschen muslimischen Glaubens, mit Migrationshintergrund und nicht-akademischen Berufen. Ein elitäres Gepräge gehöre nicht zum Selbstverständnis der Loge. Entscheidend seien Charakterfestigkeit, die persönliche Einstellung, das Bekenntnis zu Humanität, Liberalität, Toleranz. Mit den Mitgliedsbeiträgen und Spenden aus der samstäglichen Tempelarbeit würden soziale Projekte finanziell unterstützt. Ziel sei es, die Welt und sich selbst ein Stück besser zu machen. Das sei wie bei dem Stein in ihren Räumlichkeiten. Aus felsigem Chaos sollen Klarheit, Ebenheit und Harmonie entstehen.