Foto: Roberto Bulgrin
In Esslingen hat sich ein Social Club für den Anbau der nun erlaubten Droge formiert. Die Gründer des eingetragenen Vereins setzen auf Verbindungen zur Weinstadt Esslingen. Und auf Nachhaltigkeit. Beim Kultivieren der Pflanze sollen LED-Lampen zum Einsatz kommen.
Die Weinstadt Esslingen soll ein neues Bouquet erhalten. Tim Schweizer und Christopher Steinle möchten die lange Anbautradition der Neckarstadt um eine rauchige Note ergänzen. Die beiden jungen Männer haben einen Cannabis Social Club zum legalen Anbau der bisher verbotenen Substanz für den Eigenbedarf der Mitglieder gegründet und wollen sich namentlich mit dem Esslinger Rebensaft verbinden: Sie verstehen sich in Anlehnung an die Bezeichnung für Weinexperten als Cannabis-Sommeliere. Denn es gebe viele Ähnlichkeiten – etwa unterschiedliche Geschmacksnoten.
Ein Hauch von Schrebergarten-Gefühlen schwebt mit, wenn die beiden jungen Männer von ihren Gründen für die Club-Gründung berichten. Es sei eine wunderbare Erfahrung, schwärmt Tim Schweizer, eine Pflanze einzusetzen, sie zu pflegen, sie reifen zu sehen, um sie dann zu ernten. Der Eigenanbau sichere die Qualität, sagt der gelernte Elektriker, der gerade eine berufliche Pause einlegt, um schwer erkrankte Familienmitglieder zu pflegen. Der 31-Jährige zelebriert den Cannabis-Anbau – er kann lange von Sorten, Kultivierung, Verfeinerungen erzählen. Die Leidenschaft habe ihn gepackt, sagt er. Er wolle eine Cannabis-Community, eine Gemeinschaft Cannabis Rauchender aufbauen: Das „Socialising“, das Netzwerken, das Knüpfen und Pflegen von Kontakten, sei wichtig.
Idealismus reklamiert er ebenfalls für sich: Durch die Entkriminalisierung der bisher verbotenen Drogen könne ein überwuchernder Schwarzmarkt zumindest in großen Teilen ausgetrocknet werden, und es werde verhindert, dass gestreckte Substanzen mit hohen Gesundheitsrisiken von allein an Gewinn orientierten Dealern verkauft werden. Die Legalität erleichtere Aufklärungs- und Präventionsarbeit. Menschen seien ohne die Angst vor einer Strafverfolgung eher bereit, offen über Suchtproblematiken zu sprechen, und so könne schon zu einem frühen Zeitpunkt gegengesteuert werden. Gut 50 Gleichgesinnte denken ähnlich. Sie haben sich bisher über die Homepage zu einer Teilnahme an diesem Esslinger Cannabis Social Club bereit erklärt. Bis zu 500 gesetzlich erlaubte Mitglieder können aufgenommen werden.
Die Beiden, die sich auch als „Canaseure“ bezeichnen, wollten die Zustimmung des Bundesrates zu dem Legalisierungsgesetz abwarten. Das Placet der Länderkammer ist am Freitag, 22. März, erfolgt – nun möchten sie ihre Vision eines Clubs umsetzen. Zum 1. Juli wird Christopher Steinle, unabhängig vom Stand der Mitgliederzahl, die Lizenz zum Anbau beantragen. Fremdkapital soll es zur Verhinderung unerwünschter Einflussnahme nicht geben, sagt der 33-Jährige. Der Verein müsse die Investitionen aus eigener Kraft stemmen. Sollte sich die Mitgliederzahl bis zur selbst gewählten Deadline im unteren Bereich bewegen, erfolge die Cannabis-Anpflanzung in kostengünstigeren „Growzelten“, also ab neun Quadratmeter großen Wachstumszelten, in die die Pflanzen in Kübeln hineingestellt würden. An die Umwelt denkt er ebenfalls. Für die wachstumsfördernden Beleuchtungen sollen ausschließlich LED-Lampen verwendet werden. Das Equipment, sagen beide, sei im Handel erhältlich. Die Produktion von Cannabis für medizinische Zwecke sei ja auch bisher erlaubt gewesen.
Bei einer höheren Mitgliederzahl planen die beiden Gründer die Anmietung und den Ausbau einer „Lagerhalle, einer Logistik- oder Produktionsimmobilie im Kreis Esslingen, um eine professionelle Growanlage in Eigenverantwortung betreiben zu können“. Das Finden einer solchen Stätte würde kein Problem darstellen, meint der in der Immobilienbranche tätige Christopher Steinle. Eine „Cannabis-Manufaktur“ solle entstehen. Tim Schweizer ergänzt, dass das Kultivieren der Pflanzen kein großer Zeitaufwand sein müsse. Die Bewässerung könne über elektronische Regelungen erfolgen.
Doch der Traum von einem Cannabis-Café mit gemütlichen Sesseln, Stehtischen und einer eleganten Atmosphäre ist für die beiden Club-Gründer ausgeträumt. Der Gesetzgeber hat die Vorschriften eng festgezurrt. Die Ausgabestelle muss laut Christopher Steinle anonym bleiben, die Adresse darf nur Club-Mitgliedern bekannt sein. Werbung, Leuchtreklame oder ein äußeres Erkennungsmerkmal sind nicht erlaubt. Die Außenfassade muss neutral gestaltet sein und darf nicht auf ihren Zweck hinweisen. Vor dem Betreten der Räumlichkeiten ist zwingend ein Personalausweis vorzulegen.
Im Inneren erfolgt die Ausgabe. Erwachsene ab 21 Jahren dürfen insgesamt 50 Gramm verteilt auf zwei Ausgaben zu je 25 Gramm pro Monat konsumieren, 18- bis 21-Jährigen sind 30 Gramm pro Monat gestattet. Das Rauchen in den Räumlichkeiten der Ausgabestelle ist nicht erlaubt. Die Mitglieder bekommen ihren Stoff ausgehändigt und müssen wieder gehen. Damit können die beiden leben. Verärgert ist Christopher Steinle aber über eine Gesetzespassage, die die Herausgabe der Namen der Vereinsmitglieder unter bestimmten Umständen vorsehe. Das, sagt er, sei mit dem Datenschutz nicht vereinbar und auch nicht nachvollziehbar. Beim Konsum von Alkohol verlange ja auch niemand Namenslisten.
Die bisher etwa 50 Mitglieder des Cannabis Social Clubs Esslingen kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen, sagt Christopher Steinle. Das Interesse unter den 18- bis 21-Jährigen an einer Mitgliedschaft sei nicht so groß. Vielmehr würden sich Menschen oberhalb dieser Altersklasse verstärkt auf den Internet-Seiten anmelden. sw