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Bücherei ins Kaufhaus?

Foto: Roberto Bulgrin

Lesen statt kaufen, Bücher statt Kleidung: Der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer bringt überraschende Ideen zur Innenstadtbelebung ins Spiel.

Mit überraschenden Vorschlägen heizt Esslingens Oberbürgermeister Matthias Klopfer die Debatte um die Innenstadtentwicklung an. Die Bücherei, seit Jahren ein Streitthema in der Stadt, soll umziehen, ebenso die Volkshochschule (VHS). Da Ende Januar 2024 das Modehaus Kögel schließt, könnte dort die Bücherei hinziehen. Das jetzige Gebäude, einst ein Pfleghof, gilt schon seit Jahren als zu klein.

Zweiter Vorschlag: Die Volkshochschule, derzeit etwas abgelegen in der Mettinger Straße gelegen, könnte in das Karstadtgebäude in der Nähe des Bahnhofs ziehen. Hier ist ebenfalls Ende Januar Schluss mit Einkaufen. Erste Gespräche mit dem Inhaber des Modehauses, Alexander Kögel, einerseits und der Immobiliengesellschaft BPI soll es schon gegeben haben.

Dritter Vorschlag: In der jahrelangen Diskussion um die Erweiterung der Bücherei ging es auch immer darum, dass es bei der Bücherei nicht nur um das Unterstellen und Ausleihen von Büchern und anderen Medien geht, sondern um die Schaffung eines sozialen Raums für die Stadtbevölkerung. Dazu der Vorschlag: In dem historischen Gebäude in der Heugasse könnte ein Kulturquartier entstehen. Yalcin Bayraktar, als Bürgermeister unter anderem verantwortlich für Soziales, Bildung und Kultur, unterstützt diese Pläne. Museen könnten hier beispielsweise einziehen, auch Angebote für Seniorinnen und Senioren und für Familien gemacht werden. So sei unter anderem ein „Haus der Spiele“ vorstellbar.

Zurzeit besuchen 500 bis 600 Menschen täglich die Bücherei. Bayraktar rechnet damit, dass eine neue Bücherei rund 1000 Menschen täglich anziehen könnte. Dies sei oft so, wenn Büchereien neu gestaltet werden. Bei der VHS kommen und gehen ebenfalls täglich etwa 1000 Menschen . Dazu jene, die das Kulturquartier besuchen. Alles Menschen, die die Innenstadt beleben könnten. Klopfer: „Das ist unsere große Herausforderung: Wie können wir die Innenstadt attraktiv gestalten? Wir leben in einer neuen Zeit und eine neue Zeit braucht neue Iden und neue Antworten. Und die Stadt muss aktiver als früher in die Gestaltung kommen.“

Mit den Vorschlägen greift der Rathauschef in eine Diskussion ein, die die Stadt seit Monaten bewegt. Zwei Horrornachrichten befeuerten diese Diskussion: das Bekanntwerden der Schließung von Karstadt und dem Modehaus Kögel – beide machen im Januar 2024 zu. Das Thema Innenstadtsterben erscheint in Esslingen noch dringlicher als anderswo. Klopfers Kalkül: Indem die Bücherei in eine zentrale Lage gerückt und die Volkshochschule ebenfalls in den Innenstadtkern gezogen wird, kommen wieder mehr Menschen in die Innenstadt. Dazu käme noch das Kulturquartier im Gebäude der jetzigen Bücherei. All das zusammen soll für Belebung sorgen und, so die Hoffnung des Rathauses, letztlich auch Handel und Gastronomie beflügeln.

Gleich nach dem Bekanntwerden des neuen Plans gab es erste Reaktionen aus den Fraktionen im Gemeinderat – in der Mehrzahl befürwortend. Carmen Tittel von den Grünen spricht beispielsweise von einem „starken Aufbruchsignal“, Annette Silberhorn-Hemminger von den Freien Wählern von einer „großen Chance für die Kultureinrichtungen und für die Innenstadt“. Vergleichbar äußerte sich Rena Farquhar von der FDP. Auch SPD und CDU sendeten positive Signale, erwarten aber auch „konkrete Informationen zur Wirtschaftlichkeit, zu Flächenberechnungen und natürlich auch über die Kostenfrage insgesamt“, so Tim Hauser von der CDU. Martin Auerbach, Stadtrat der Linken, war dagegen etwas skeptischer. Er ärgerte sich darüber, dass die Fraktion spät informiert wurde. Sein Fraktionskollege Tobias Hardt hätte am Mittwochmorgen einen Anruf bekommen, nur wenige Stunden, bevor die Idee öffentlich wurde. Zur Idee selbst sagte Auerbach, sie werfe viele Fragen auf, unter anderem zur Statik.

Eine erste, eher abwartende Stellungnahme gab es auch schon vom Förderverein der Stadtbücherei. Der Verein sei „sehr überrascht“, so Vorstandsmitglied Petra Helmcke. Nun gehe es darum, die Pläne zu prüfen und Kostenrechnungen einzufordern. Danach werde der Verein eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, um eine Entscheidung der Mitglieder zum Standort zu bekommen. (jmf)