Foto: Barbara Scherer
Das Schwätzbänkle wurde vor zweieinhalb Jahren auf der Inneren Brücke aufgebaut. Stadtseniorenrat Horst Bergmann nimmt einmal die Woche dort Platz und wartet auf Plauderer. Was er so erlebt, ist das pralle Leben auf einer kleinen Bank.
An diesem Dienstag sind die Esslinger nicht sonderlich gesprächig – das Wetter unsicher, die Fußgängerzone auf der Inneren Brücke nicht besonders belebt. Eine Frau hält kurz inne, hockt sich für eine Minute neben den Stadtseniorenrat Horst Bergmann und berichtet, sie sei auf dem Weg in die Bücherei. Kurz darauf stoppt ein junger Mann aus Syrien auf seinem Weg, fragt nach einer Adresse in Esslingen und nach einer Möglichkeit, seine Sprachkenntnisse in einer Gruppe zu trainieren. Dann sitzt Bergmann für eine ganze Weile allein auf dem Bänkchen aus Douglasienholz mit der Tafel „Schwätzbänkle“. Später nimmt eine mit vielen Taschen beladene Frau Platz, will aber nicht reden. Man möge auf der anderen Bank Platz nehmen, deutet sie neben sich und wird misstrauisch: „Sind Sie etwa auch von der Zeitung?“, fragt sie Bergmann.
Freundlicher wird es kurz vor Bergmanns „Schichtende“. Zwei Frauen, die zu Besuch in Esslingen sind, fragen sich und Bergmann, wieso die schöne Stadt im Krieg nicht zerstört wurde. Da erzählt Bergmann gern die Geschichte von Churchills Lebensgefährtin, die eine Esslingerin gewesen sein soll und ihrem Winston die Bombardierung der Neckarstadt untersagt haben soll. Ob das so war? Egal, die Frauen freuen sich und ziehen weiter, um sich die Altstadt anzuschauen.
„Das war jetzt ein durchschnittlicher Tag“, zieht Horst Bergmann Bilanz. „In Anbetracht des Wetters durchaus gut.“ Der 78-jährige Ingenieur im Ruhestand ist im Vorstand des Stadtseniorenrats und bietet diese Sitzungen jeweils dienstags von 14 bis 16 Uhr an – sofern es nicht dauernd regnet oder es zu heiß ist, um das Miteinanderreden anzuschieben. Würde er aufschreiben, was er so hört, käme ein dickes Buch zustande. Meist sind es Menschen in der Lebensmitte oder darüber hinaus, die sich bei ihm niederlassen. Eher mehr Frauen als Männer. Die Themen sind so unterschiedlich und facettenreich wie das Leben selbst. Es gibt wenige Themen, die Bergmann ablehnt: Wenn ihm jemand seine „krassen politischen Überzeugungen“ mitteilen möchte, blocke er ab. Das seien fast ausschließlich Männer. Bergmann hat mittlerweile auch den Blick für schüchterne Kommunikationswillige geschärft. „Dann spreche ich ihn oder sie an, und ermuntere sie, Platz zu nehmen“, sagt der Mann mit dem freundlichen Lächeln.
„Ich erlebe Menschen aus der Region, die Esslingen besuchen und sich wundern, wie schön die Stadt ist und was es so alles gibt, oder auch junge Leute, Studenten beispielsweise, die sich über den teuren Wohnungsmarkt beklagen.“ Auch viele persönliche Dinge bekommt Bergmann zu hören. Meist seien es Frauen, die über ihre Lebenspartner, Ex-Partner, Kinder oder über Familienangehörigen klagen. „Das ist zuweilen sehr vertraulich“, sagt Bergmann und zieht den Schluss, dass viele Menschen niemanden haben, der ihnen zuhört.
Insofern sei das Schwätzbänkle eine sinnvolle und notwendige Einrichtung. Schön wäre es aus seiner Sicht, wenn es solche noch an anderen Stellen in der Stadt gäbe. So, wie es bei der Eröffnung mit Esslingens Oberbürgermeister Matthias Klopfer im Juni 2022 besprochen wurde, als drei weitere angekündigt worden seien. (bs)