Foto: Roberto Bulgrin
Seit 2005 ist die Spinnerei am Esslinger Rossneckarkanal ein Ort für Kunst und Kreativität. Nach dem Tod des Initiators Werner Bolzhauser war unklar, wie es weitergeht. Das Künstlerkollektiv Die Versponnenen führt den Verein Kultur am Rande und die Spinnerei weiter.
Die Spinnerei des Vereins Kultur am Rande hat sich als Sprungbrett für Musik, Theater, Literatur, Bildende Kunst und kreative Projekte aller Art nicht nur in Esslingen einen Namen gemacht. Doch nach dem Tod des unermüdlichen und grenzenlos kreativen Initiators Werner Bolzhauser im vergangenen September war zunächst nicht klar, wie es mit dem Verein und seiner Spinnerei weitergehen würde. Das Künstlerkollektiv Die Versponnenen hat nun für Klarheit gesorgt.
Gerhard Polacek, Marion und Felix Jeiter, Sabine Christiane Dotzer und Antonio Lallo wollen dafür sorgen, dass das kleine Haus am Rossneckarkanal das bleibt, was es seit 20 Jahren immer war: Ein Ort für Menschen, die Kunst und Kultur lieben und die dabei auch mal „versponnene“ Wege gehen wollen.
Für viele sind die Spinnerei und der Verein Kultur am Rande ohne Werner Bolzhauser schwer vorstellbar. „Für uns war jedoch rasch klar, dass das, was er begründet und mit so viel Leidenschaft, Fantasie und Engagement vorangebracht hat, mit seinem Tod nicht zu Ende sein darf“, sagt der Esslinger Schauspieler Gerhard Polacek, der seit einer kleinen Ewigkeit mit Bolzhauser befreundet war. Deshalb hat sich Polacek mit seinen Künstler-Kolleginnen und -Kollegen zusammengesetzt und beratschlagt, wie es nun weitergehen kann. Eine wichtige Rolle bei all diesen Überlegungen hat Bolzhausers Lebenspartnerin Petra Steenbuck gespielt, die Die Versponnenen ermuntert hat, den Verein Kultur am Rande weiterzuführen. „Die Spinnerei war Werners Herzensangelegenheit“, erinnert sie sich. „Ich bin so erleichtert und so froh, dass es dort weitergeht. Dieses Haus ist so kostbar und die Arbeit des Vereins ist so wichtig, dass sie mit seinem Tod nicht enden dürfen.“
Zunächst haben Die Versponnenen Kontakt mit der Esslinger Kulturverwaltung aufgenommen, um auszuloten, wie man im Rathaus die Zukunft des Vereins Kultur am Rande und seiner Spinnerei einschätzt. „Wir haben im Kulturamt große Offenheit gespürt und uns nach dem Gespräch zusätzlich ermuntert gefühlt, weiterzumachen“, verrät Gerhard Polacek. In einer Mitgliederversammlung des Vereins haben er und seine Mitstreiter ihre Pläne vorgestellt und viel Zuspruch gespürt. Am Ende wurde Polacek zum neuen Vorsitzenden von Kultur am Rande gewählt, Sabine Christiane Dotzer ist Stellvertreterin, Marion Jeiter kümmert sich um die Finanzen. Und dass auch Petra Steenbuck spontan zugesagt hat, die neuen Macherinnen und Macher der Spinnerei mit ihrem Rat und ihrer ganzen Erfahrung zu unterstützen, erleichtert den Neubeginn.
Für das Künstlerkollektiv hat sich vieles aufs Beste zusammengefügt. „Wir hatten Die Versponnenen schon vor einigen Monaten gegründet, weil wir nicht länger nur als Einzelkämpfer unterwegs sein wollten“, erzählt Marion Jeiter. „Es ist viel produktiver, wenn man sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen und sich gegenseitig unterstützen kann.“ Schauspieler sind sie alle – dass jede und jeder in dieser tollen Truppe ein eigenständiges Profil und unterschiedliche Talente besitzt, macht die Zusammenarbeit noch fruchtbarer. „Wir ergänzen uns prima, einer hilft dem anderen, und jeder gönnt jedem allen Erfolg“, betont Antonio Lallo. „Das ist nicht selbstverständlich.“
Von dieser kreativen Harmonie sollen die Spinnerei und der Verein Kultur am Rande profitieren. „Wir wollen eigene Projekte realisieren aber auch offen bleiben für andere Künstlerinnen und Künstler“, verspricht Felix Jeiter. Die Spinnerei im Tiefparterre bietet mit ihrer kleinen Bühne viele interessante Möglichkeiten, an der Bar im Erdgeschoss lässt sich plaudern und diskutieren, der Raum im Obergeschoss eignet sich für Ausstellungen und kleine Veranstaltungen.
Die neuen Macherinnen und Macher wollen das Haus in den nächsten Wochen auf Vordermann bringen und dann an den Start gehen. „Der 1. Mai hatte für Kultur am Rande immer eine besondere Bedeutung“, sagt Gerhard Polacek. „Daran wollen wir anknüpfen.“ Unterstützt von der Zukunftsstiftung Heinz Weiler soll es drei Pop-up-Wochenenden geben, an denen die Spinnerei ihre Möglichkeiten zeigt und demonstriert, wie breit das künstlerische Spektrum dort sein kann. „Wir haben ganz viele Ideen, weil uns der Neubeginn hier unglaublich beflügelt“, verrät Marion Jeiter. „Und seit es sich herumzusprechen beginnt, dass wir in der Spinnerei weitermachen, melden sich auch Kolleginnen und Kollegen, die hier mit eigenen Projekten auftreten wollen.“ (adi)