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Die Verwaltung und der Gemeinderat wollen das Angebot an Leihfahrzeugen ausbauen. Bis zum Jahr 2030 könnten 140 Fahrzeuge im Stadtgebiet zur Verfügung stehen. Bei den Anbietern ist das Interesse offenbar groß.
Wenn sich viele Menschen ein Auto teilen, stehen weniger Fahrzeuge ungenutzt herum. Zudem überlegt man sich vielleicht zwei Mal, ob man wirklich mit dem Auto fahren muss, wenn es nicht direkt vor der Haustür steht. Das ist das Kalkül beim sogenannten Carsharing. In Esslingen will man das Angebot in den nächsten Jahren ausbauen, um es für mehr Menschen attraktiv zu machen – und damit die Stadt vom Verkehr und von parkenden Autos zu entlasten.
Beschlossen ist es noch nicht, aber bei der Präsentation des neuen Konzepts in der jüngsten Sitzung des Mobilitätsausschusses zeigten sich viele Räte prinzipiell offen für den Ausbau des Carsharings. Diskutiert wurde über die Art der Erweiterung – etwa darüber, wie viele Fahrzeuge in welchen Stadtvierteln sinnvoll wären, welche Quote an Elektroautos für die Carsharingflotte gelten soll und ob es wirklich ratsam ist, drei verschiedene Anbieter zum Zug kommen zu lassen.
Karsten Hager, Geschäftsführer des Instituts Stadt, Mobilität, Energie (ISME) hatte klare Antworten auf diese Fragen. Sein Institut hat das Carsharingkonzept für die Stadt Esslingen erstellt und eindeutige Empfehlungen für das weitere Vorgehen abgegeben. So kommt man beim ISME nach verschiedenen Untersuchungen und Berechnungen zum Schluss, dass es in Esslingen bis 2030 ein Potenzial von 140 Fahrzeugen fürs Carsharing gibt. Bei der Markterkundung habe man Gespräche mit drei potenziellen Anbietern geführt, die alle grundsätzlich Interesse daran gezeigt hätten, sich am Aufbau oder der Ausweitung des Carsharing-Angebots in Esslingen zu beteiligen, heißt es vom ISME. Die Konditionen der drei Anbieter für die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen seien sehr unterschiedlich und reichten von der Bereitschaft, moderate Stellplatzgebühren zu bezahlen bis hin zu der Erwartung einer Mitfinanzierung durch die Stadt.
Um den Bedarf in den Stadtvierteln zu ermitteln, habe man zum einen die Zahl der Einwohnenden und damit der potenziellen Nutzer zugrunde gelegt und zum anderen die Anbindung an den Nahverkehr, so Hager. Da Letztere erfahrungsgemäß ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Carsharing-Angebots sei, schlage man vor, 20 Prozent der Fahrzeuge in der Nähe der Bahnhöfe in Esslingen, Mettingen, Oberesslingen und Zell zu stationieren und 80 Prozent in Abhängigkeit der Einwohnerzahl auf die Stadtgebiete zu verteilen.
Diskussion um die Ausgestaltung
Für die Ausschreibung solle die Stadt möglichst Lose bilden, in denen jeweils attraktive und potenziell unattraktivere Standorte zusammengefasst werden, damit auch Letztere versorgt werden, so Hager. Zudem empfehle man, mehrere Anbieter in der Stadt zuzulassen, da Wettbewerb belebend wirke und den Nutzern so unterschiedliche Preis- und Angebotsstrukturen zur Verfügung stünden. Von einer Quote für Elektroautos rate man hingegen vorerst ab, um den Ausbau nicht zu verzögern. In einer nächsten Ausbaustufe sei eine Quote in Kombination mit der Ausschreibung von Ladeinfrastruktur aber sinnvoll.
Im Mobilitätsausschuss stießen die Vorschläge auf ein gemischtes Echo. So lobte etwa Petra Schulz als beratendes Mitglied die Ausbaupläne: „Es ist ein Problem, dass viele Menschen, die nur selten ein Auto brauchen, eins an die Straße stellen – da wäre Carsharing eine mögliche Lösung.“ SPD-Rat Andreas Koch betonte: „Klimaschutz braucht ein neues Mobilitätsverhalten, da ist Carsharing genau richtig.“ Und Carmen Tittel, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, erklärte: „Grundsätzlich ist Carsharing eine sehr gute Sache, aber ich denke, ein Fahrzeug pro Stadtviertel reicht nicht.“ Zudem frage sie sich, wie die Kombination mehrerer Anbieter in der Praxis funktionieren solle: „Muss ich dann mehrere Mitgliedschaften haben?“ Das würde aus ihrer Sicht das bestehende Angebot verschlechtern, nicht verbessern.
Auch Hermann Falch (Freie Wähler) wunderte sich, dass an vielen Standorten nur ein Fahrzeug vorgesehen sei und Rena Farquhar (FDP) fragte, warum in manchen Stadtteilen gar kein Fahrzeug eingeplant sei. Während CDU-Fraktionschef Tim Hauser in Frage stellte, ob Carsharing bei einer voraussichtlich zunächst geringen Zahl an Fahrzeugen in Esslingen überhaupt sinnvoll sei, betonte Tobias Hardt, Fraktionschef der Linken: „Für mich wäre wichtig, dass es sich bei allen Fahrzeugen um Elektroautos handelt, das soll schließlich ein umweltfreundliches Angebot sein.“ Baubürgermeister Hans-Georg Sigel erklärte jedoch: „Es ist alles nicht in Stein gemeißelt, aber wichtig ist, dass wir jetzt mal vorankommen.“ Das betonte auch der ISME-Geschäftsführer Karsten Hager. Das Konzept soll nun weiter ausgearbeitet und dann erneut diskutiert werden. (meb)
Status Quo
Derzeit ist Stadtmobil der einzige Anbieter von Carsharing in Esslingen. Laut Stadtverwaltung gibt es 17 Stationen im Stadtgebiet, an denen insgesamt 45 Carsharing-Fahrzeuge verfügbar sind. Diese Fahrzeuge können von Stadtmobilkunden online oder telefonisch gebucht und dann für die vereinbarte Zeit genutzt werden. Die Fahrzeuge müssen nach der Nutzung wieder an dem Standort abgestellt werden, an dem sie abgeholt wurden.
Laut Karsten Hager, Geschäftsführer des Instituts Stadt, Mobilität, Energie, ist eine stufenweise Ausweitung des Carsharing in Esslingen sinnvoll. Nach Berechnungen seines Instituts sei es angebracht, bis zum Jahr 2025 insgesamt 66 Fahrzeuge fürs Carsharing bereitzustellen, bis 2027 dann 100 und bis zum Jahr 2030 insgesamt 140. Längerfristig könne man durchaus mit einem Potenzial von 450 oder mehr Fahrzeugen rechnen. meb