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Was tun gegen den Hausärztemangel?

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Von den knapp 340 Hausärzten im Kreis Esslingen gehen fast 120 in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Ein Weiterbildungsverbund des Gesundheitsamts im Landkreis Esslingen soll den drohenden Engpässen entgegenwirken. Der Landkreis Esslingen ist nicht die Ostalb. Dennoch wird sich auch hier die Patientenversorgung in der Allgemeinmedizin in den nächsten Jahren dramatisch verändern. Mit Lösungen für dieses strukturelle Debakel beschäftigte sich der gut besuchte berufspolitische Abend der Kreisärzteschaft, der am Donnerstag im Forum des Esslinger Klinikums stattfand. Der Initiator Marc-Alexander Meinikheim fand deutliche Worte: „Wir müssen jetzt was tun.“ Wenn nicht gegengesteuert wird, sieht der Esslinger Gastroenterologe und Internist große Probleme auf den Landkreis zukommen. Mehr als 20 freie Hausarztsitze sind für ihn nur die Spitze des Eisbergs.

 

Das Gesundheitsamt hat das Dilemma erkannt und will dem Hausärztemangel durch einen Weiterbildungsverbund vom Herbst an entgegenwirken. „Wir wollen Menschen, die wir für die Allgemeinmedizin begeistern können, an den Landkreis Esslingen binden“, betonte Christine Stotz, die stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamts des Landkreises.

Die Idee ist nicht neu. Einen ähnlichen Lösungsansatz gibt es in Göppingen schon seit Ende vergangenen Jahres. Markus von Ehr vom Esslinger Gesundheitsamt stellte in seinem Vortrag das Konzept vor, durch das man junge Ärzte mit den passenden allgemeinmedizinischen Praxen zusammenbringen und unterstützen will. „Wir müssen mehr und schneller ausbilden“, sagte er. Im Landkreis Esslingen leben derzeit 542 582 Menschen. Ihnen stehen im Moment noch 337 Hausärzte gegenüber, von denen 120 in den nächsten sieben Jahren in den Ruhestand gehen werden, insgesamt fehlen demnach 87. Da schon heute jeder vierte Bürger keinen Hausarzt mehr habe, gingen viele mit „Kind und Kegel“ und banalen Beschwerden in die Notaufnahmen der Kliniken, was diese überlaste.

 

Die Fortbildung zum Allgemeinmediziner dauert 60 Monate in Vollzeit, die teilweise ambulant und teilweise in einer Klinik abgeleistet werden müssen. Danach lassen sich 84 Prozent der Hausärztinnen und Hausärzte im Umkreis ihres Ausbildungsorts nieder, ein Phänomen, das sich „Klebeeffekt“ nennt. Ärzte, die ausbilden wollen, benötigen eine Weiterbildungsbefugnis. Stellen sie einen Arzt in Ausbildung ein, sollen sie finanziell stark unterstützt werden. Das Projekt steht in Kooperation mit der Uni Tübingen.

Wie sich die Kassen angesichts dieser Probleme positionieren, erläuterte Ronny Biehle, der stellvertretende Geschäftsführer der Krankenkasse AOK Neckar-Fils. „Wenn es weniger Ärzte gibt, muss die Last auf mehr Schultern verteilt werden.“ Biehle lenkte den Blick auf Lösungsansätze mit Entwicklungspotential. Positiv wirke sich vor allem der Hausarztvertrag aus. Auch die Ausbildung von nichtärztlichem medizinischem Personal zu Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (Verahs) trage dazu bei. Dennoch verlagere sich der Fokus insgesamt stärker in Richtung der Patienten. Deren Gesundheitskompetenz müsse gestärkt und die ambulante Versorgung gefördert werden.

Das Schlusswort dieses Abends gehörte dem Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer als Vorsitzendem des Aufsichtsrats des Klinikums. „Die Attraktivität der Stadt Esslingen ist ungebrochen“, sagte er trotz der trüben Aussichten in der ambulanten medizinischen Versorgung. Ausführlich ging er auf die insgesamt schwierige Situation bei den städtischen Arbeitsplätzen ein, von denen manche unbesetzt blieben. „In der Kinderbetreuung machen wir unsere Sache nicht gut“, gestand er und kündigte weitere Anstrengungen an. Auch in der Pflege sei man dabei, in großem Maßstab Mitarbeiter gewinnen. „Esslingen wird internationaler, ob man will oder nicht.“ (pewo)