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Seite 3 Redaktion

Fingerspitzengefühl und Muskelkraft

Foto: Marion Brucker

Uwe Teuke ist Metallblasinstrumentenmacher in Esslingen. Vor fast 45 Jahren hat er den Beruf erlernt. Seit einiger Zeit ist seit Handwerk gefragter denn je. Das war allerdings nicht immer so – zwischendurch musste Teuke auf sein zweites Standbein zurückgreifen.

„Ich habe Arbeit, bis der Arzt kommt“, sagt Uwe Teuke. Vor ihm auf der Werkbank in seiner Werkstatt in Esslingen-Zell liegt eine Trompete. Sie gehört einer Privatkundin. Gerade ist er dabei, ein Ventil anzupassen. Zwei Ventile muss er einläppen, so heißt es im Fachjargon, erklärt der Metallblasinstrumentenmachermeister. Seine Beine verschwinden unter einer schweren braunen Lederschürze. „Es ist die klassische Arbeitskleidung, die auch vor Chemikalien schützt“, erklärt der 60-Jährige.

Teuke hat sich in seinem Beruf auf das Reparieren spezialisiert. Profimusiker wie der Esslinger Posaunist Uli Röser, der in Udo Lindenbergs Panik-Orchester spielt, gehören ebenso zu seiner Kundschaft wie Musiklehrerinnen oder -lehrer, deren Schülerinnen und Schüler sowie Musikvereine und Posaunenchöre. Gerade wegen Letzteren spielten in Baden-Württemberg noch mehr Menschen ein Blechblasinstrument als in Bayern, erklärt der gebürtige Hallenser. Doch was er momentan an Arbeit habe, sei unfassbar. Erklären kann er sich das nicht, aber es gehe nicht nur ihm so, sondern auch den anderen Fachleuten in der Gegend.

Teuke ist froh über den Boom, nachdem er infolge des zweiten Corona-Lockdowns die Flaute so heftig gewesen war, dass er auf sein zweites Standbein zurückgreifen musste: Er verdiente sein Geld wieder als Schreiner. Auf diesen Beruf hatte er nach der Wende umgeschult, weil die Werkstatt in Halle, in der er Metallblasinstrumentenmacher gelernt hatte, musste schließen.

„Ich bin der einzige lebende Metallblasinstrumentenmacher, der seine Ausbildung in Halle/Saale absolviert hat“, sagt Teuke mit einem Augenzwinkern. Sein Meisterstück sei ein Bariton gewesen. Die Prüfung hat er im sächsischen Markneukirchen abgelegt, seit mehr als 350 Jahren Stadt des Instrumentenbaus. Dort und in Ludwigsburg sind derzeit die einzigen Schulen, an denen Meister ausgebildet werden. Teuke ist Mitglied der Gesellen- und Meisterprüfungskommission an der Berufsschule in Ludwigsburg. Drei bis sieben Prüfungen seien es alle zwei Jahre. Die Prüflinge kämen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Benelux. Wer die Meisterprüfung ablege, bleibe im Beruf. Von den neun bis zehn Azubis, die sie jährlich in jeder der drei Ausbildungsstufen hätten, sprängen jedoch viele ab.

„Für den Beruf braucht es viel Idealismus“, sagt er. Man sollte ein Instrument spielen, handwerkliches Geschick und Geduld haben. Arbeiten, teilweise mit der Lupe bei den Feinmechanikteilen, gehören ebenso dazu wie solche, bei der körperliche Kraft notwendig ist. Teuke hat sie. Er bringt eine Tuba aus dem hinteren Teil der Werkstatt, deren Becher ausgebeult ist. Um das Instrument – es kann bis zu 15 Kilogramm wiegen – nicht permanent halten zu müssen, stülpt er den Trichter über ein Rohr. Trotzdem braucht er noch mächtig Muskelkraft. Mit einem Ausbeulroller muss er so lange über das Metallblasinstrument fahren, bis die Beule verschwunden ist.

Jede Reparatur ist anders. „Ich kann so alt werden, wie ich will, es gibt immer etwas Neues. Da muss man sehr flexibel sein“, sagt der Meister. Es gebe keine technischen Normen, nur physikalische Grenzen. Und wenn ein Instrument 60 oder 80 Jahre alt sei, sei es mitunter schwierig, Ersatzteile zu beschaffen. Teuke improvisiert dann. „Entweder ich baue es selber nach, oder irgendjemand auf der Welt hat es irgendwo liegen“, sagt er. Gegebenenfalls auch die Konkurrenz in der Region. „Wir helfen uns gegenseitig“, sagt er.

Es gebe auch eine Facebookgruppe in der Branche. Daher sei es nichts Ungewöhnliches, dass Teile aus England oder den USA kämen, besonders bei den Instrumenten mit Pumpventilen. In Westdeutschland sei diese amerikanische Bauart durch die Big Bands der Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg genauso populär geworden wie die Big Bands selbst. Auch Teuke ist davon begeistert – und vor zwei Jahren deutscher Brass-Band-Meister mit der Big Brass Band B 10 geworden. Doch nicht nur da ist er aktiv: Seit er vor 22 Jahren mit Frau und Sohn nach Baden-Württemberg gekommen ist, spielt er in der Big Band Freiberg und im Sinfonieorchester Ostfildern Trompete und im Musikverein Oberboihingen Flügelhorn. Von 1986 bis 1990 studierte er berufsbegleitend am Konservatorium „Georg Friedrich Händel“ in Halle. „Wenn nötig, helfe ich auch gerne mal aus“, sagt er.

Weil der 60-Jährige selbst Musiker ist, kann er auch jedes Blechblasinstrument anspielen – und das macht er nach jeder Reparatur. Am liebsten sei ihm, „wenn der Kunde mit einem Lächeln hinausgeht und wieder kommt, weil er zufrieden ist“, sagt der 60-Jährige. Und all jene, die zu ihm kommen, können weiter auf ihn zählen: „Ich will noch zehn Jahre weitermachen, solange es die Gesundheit und die wirtschaftliche Situation hergeben“, kündigt Uwe Teuke an. (mab)