Foto: dpa/Sebastian Gollnow
Der Mann, der im März eine Frau in Esslingen mit einem Messer angegriffen und verletzt hat, war zum Zeitpunkt der Tat nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart schuldunfähig. Die Tat sei auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen.
Der 45-Jährige, der am 15. März eine 67-Jährige in der Unteren Beutau mit einem Küchenmesser verletzt hat, bleibt in einer Psychiatrie. Er habe die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund einer paranoiden Schizophrenie begangen, befand die 19. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Der Angeklagte nahm das Urteil an.
Der Mann sei krank, erklärte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung: „Dafür können Sie nichts.“ Der gebürtige Esslinger habe diesen Zustand aber indirekt durch seinen Cannabiskonsum seit frühester Jugend herbeigeführt. Den Keim dieser psychischen Erkrankung würden viele Menschen in sich tragen, durch die illegalen Rauschmittel sei sie bei dem 45-Jährigen aber zum Ausbruch gekommen. Es habe zwar immer wieder lange drogenfreie Phasen in dessen Leben gegeben. Doch bei Schicksalsschlägen wie dem Tod der Mutter oder dem Scheitern seiner Ehe habe der Angeklagte zur Bewältigung und als Trostpflaster zu den Betäubungsmitteln gegriffen. Er müsse lernen, mit Problemen auf andere Weise umzugehen, so das Gericht.
Am 9. März hatte sich der gelernte Bäcker laut dem Urteil 20 Gramm Drogen besorgt und sie relativ rasch konsumiert. In der Folge hatte der Vater zweier Töchter befehlende Stimmen in seinem Kopf gehört, die ihn zu Straftaten angetrieben hätten: „Verletze! Steche zu! Töte!“ Anfangs habe er sich den Stimmen in seinem Kopf widersetzt. Doch am Tattag griff er zu einem Küchenmesser mit einer etwa zwölf Zentimeter langen Klinge, verließ das Haus und setzte sich auf eine Bank. Einer zufällig vorbeikommenden Frau ging er nach und stach ihr in der Unteren Beutau mitten in den Rücken. Mit voller Wucht sei das Messer geführt worden, befand das Gericht. Es durchschlug eine Jacke, einen Pullover und ein Unterhemd und drang in den Körper ein.
Die 67-Jährige habe einen Schutzengel gehabt, es wurden keine Organe oder die Wirbelsäule verletzt. Die Geschädigte habe noch mit ihrem Stock nach dem Angreifer geschlagen, der von ihr abgelassen und über Notruf selbst die Polizei gerufen habe. Die Frau war erheblich verletzt worden. Wiederum sei es aber ein Glück, so das Gericht, dass die Frau mit beiden Beinen fest im Leben stehe und sich nicht unterkriegen lasse. Sie sei ein Zufallsopfer gewesen, das der Angeklagte zuvor nicht gekannt hatte. Es hätte wohl jeden anderen treffen können.
Der Angeklagte habe den Tod der Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen, meinte der Richter. Nach der Tat habe er aber den Polizeibeamten die Tat gestanden, ihnen das Messer ausgehändigt und von den Stimmen in seinem Kopf berichtet. Dieses Verhalten sei von den als Zeugen befragten Polizisten bestätigt worden, was für die Glaubwürdigkeit des Mannes spreche.
Der Angeklagte muss wegen der Messerattacke in jener psychiatrischen Klink bleiben, in der er seit seiner Verhaftung untergebracht ist, so das Urteil. Er trägt die Kosten des Verfahrens. Er sei eine Gefahr für die Öffentlichkeit, eine „tickende Zeitbombe“, welche durch die Behandlung „entschärft“ werden müsse. Wie lange die stationäre Unterbringung dauere, hänge vom Krankheitsverlauf und dem Angeklagten selbst ab.
Einsicht in die Erkrankung, ein Ende des Drogenkonsums und eine regelmäßige Einnahme der Tabletten seien unabdingbar, so das Gericht: „Es ist noch nicht zu spät für Sie, ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen.“ Vor dem Messerangriff habe der Angeklagte nur noch verwahrlost im Bett herumgelegen: „Dafür sind Sie zu jung.“ sw