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Warum ein Vierbeiner Kinder glücklich macht

Foto: Roberto Bulgrin

In der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Esslingen gibt es eine besondere Mitarbeiterin: Bess, eine Therapiehündin. Die Hündin begleitet Jugendliche in der Klinik, die unter verschiedenen psychischen Erkrankungen und Störungen leiden. Die Türen zur Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Esslingen öffnen sich langsam und eine kleine Hündin kommt in den Raum. Ihr Name ist Bess und sie ist ein ausgebildeter Therapiehund. Die Kinder haben sie bereits erwartet und begrüßen sie mit strahlenden Gesichtern, aber Bess hat andere Pläne: Zielgerichtet steuert sie auf die Tür eines hinteren Zimmers der Station zu und bleibt davor sitzen. „Das kann schon mal vorkommen, denn Bess hat gemerkt, dass genau das Kind aus dem Zimmer die Zuwendung gerade am meisten benötigt“, sagt Frank Stolzenberg, Systemischer Trauma-Pädagoge des Klinikums Esslingen. Die Hündin zeige ihm die Stimmung der Jugendlichen an und nehme Schwingungen wahr. Bess spüre beispielsweise auch, wenn jemand wütend ist. Dann suche sie den unmittelbaren Kontakt mit dem Kind und lasse sich streicheln. Laut einer Studie der Swedish University of Agricultural Sciences spielt dabei das sogenannte Hormon Oxytocin, auch bekannt als „Kuschelhormon“, die Schlüsselrolle. Es beruhigt, senkt den Blutdruck, wirkt entzündungshemmend und mindert Depressionen. „Bei einer Gruppenintervention wurde den Kindern der Puls gemessen und der ging schlagartig runter, als Bess dazu geholt wurde“, sagt Stolzenberg. Bemerkenswert ist es, dass die Hündin auch die Symptome des Aufmerksamkeitsdefizit-Syndroms (ADHS) durch ihre Anwesenheit schmälern kann und selbst Kinder mit Aggressionsproblemen ruhiger werden. Oxytocin sorgt nicht nur dafür, dass die soziale Kompetenz verbessert wird, sondern aktiviert auch das Glückshormon Dopamin. „Anwesenheit und Blickkontakt von Bess zaubert den Jugendlichen durch die Bank ein Lächeln ins Gesicht, selbst bei einer diagnostizierten Depression“, sagt der Trauma-Pädagoge. Therapiehunde werden deswegen heute in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt, vom Altenheim über die Einrichtung für Menschen mit Behinderung bis zur Kinder- und Jugendpsychiatrie. Rund 350 junge Patienten werden jährlich in der Klinik behandelt. Jeder von ihnen trägt ein anderes Problem mit sich herum, kein Patient ist gleich. Dabei sei es wichtig, auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen: Einzel- und Gruppentherapien, Kreativ- und Bewegungstherapien oder eben verschiedenen Formen der tiergestützten Therapie. Frank Stolzenberg arbeitet mit der sogenannten tiergestützten Intervention. Bedeutet, dass Bess ihn im Stationsalltag, Einzeltherapien, aber auch in speziellen Sitzungen mit Therapeuten begleitet und unterstützend zum Wohl der Jugendlichen eingebunden ist. Im Grunde genommen sei der Job von Bess, einfach nur da zu sein und somit die Atmosphäre in der Station zu verbessern. Wenn die Hündin zum Beispiel bei einer Therapiestunde dabei ist, dann würden sich auch die Störungen des Sozialverhaltens bei Kindern verringern und sie fangen an, von sich aus zu erzählen. „Bess dient auch als Motivationsspritze, um die Jugendlichen nach draußen zu bewegen, wenn man eben mit ihr Gassi gehen muss“, sagt Stolzenberg. Bevor die Therapeutin auf vier Pfoten ihren Job antreten konnte, musste sie gemeinsam mit dem Trauma-Pädagogen eine intensive Ausbildung absolvieren: Die beiden haben sich dafür ein Jahr lang zusammen als Team bei einer Hundeschule ausbilden lassen. Dabei wurde Bess Grundgehorsam vermittelt und sie kam in Kontakt mit Menschen, die Hilfe brauchen. Stolzenberg musste dagegen lernen, wie man mit der Hündin umzugehen hat: „Man muss lernen, seinen Hund richtig zu lesen.“ Das sei vor allem wichtig, wenn der Vierbeiner ihm die Stimmung der Kinder der Tagesklinik anzeige, indem sie beispielsweise ihre Ohren aufstelle oder sich einem Patienten zuwende. Die Hündin wurde schon als Welpe auf der Station eingesetzt. Mittlerweile ist Bess drei Jahre alt. „Natürlich ist nicht jeder Hund als Therapeut geeignet, denn wie beim Menschen gibt es unterschiedliche Charaktere“, sagt Stolzenberg. Bess gehört zur Hunderasse der Cavalier King Charles Spaniel, die aufgrund ihres sanften Wesens häufig als Therapiehunde eingesetzt werden. Die Hündin sei aber keine Gute-Laune-Maschine, die zu funktionieren habe: „Bess muss sich nicht an Arbeitszeiten halten und darf auch einfach mal in ihrem Hundehaus, im hinteren Bereich der Station, schlafen.“ Dabei müssen die Hygieneregeln beachtet werden: Die Hündin muss regelmäßig zur tierärztlichen Kontrolle, wird entwurmt, gegen Parasiten behandelt und muss alle wichtigen Impfungen aufweisen. Bislang wird die Hundebegleittherapie nicht von den Krankenkassen toleriert – zumindest nicht in Deutschland, deshalb wird die Therapieform vom Klinikum Esslingen eigenständig finanziert. Der Trauma-Pädagoge würde sich wünschen, dass dazu ein Umdenken stattfindet: „Es ist belegbar und wir sehen es tagtäglich, dass ein Therapiehund bei psychischen Störungen helfen kann, sogar besser als so manche Medikamente.“ Neben der Hundetherapie gibt es unter anderem noch die sogenannte Hippotherapie: Hierbei werden Pferde als Therapietiere eingesetzt, um Bewegungsstörungen zu behandeln. Die Therapie erfolgt auf dem Rücken des Pferdes und soll die Beweglichkeit, Balance und Koordination fördern. Delfintherapie wird oft bei Kindern mit Autismus oder Entwicklungsverzögerungen eingesetzt. Die Interaktion mit Delfinen soll die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten der Kinder verbessern. Auch Kaninchen werden oft in Schulen und Kindertagesstätten eingesetzt, um Kindern Verantwortungsgefühl beizubringen. Ebenso kommen Kaninchen bei der Behandlung von Stress und Angstzuständen zum Einsatz.