Foto: Claudia Bitzer
Das Esslinger Tiefbauamt muss in der östlichen Altstadt neue Kanalrohre verlegen. Doch spätestens im dritten Bauabschnitt stellt sich die Frage, wie das Viertel überhaupt noch angefahren werden kann. Macht die Stadt die Ritterstraße wieder auf? In den Kübeln vor ihrem Getränkehandel grünt und blüht es. Zwei Bänkchen stehen auf der anderen Straßenseite, die Regina Hemminger allerdings mit Blumentöpfchen dauerbesetzt und mit zwei Kordeln abgesperrt hat. Zu intensiv waren die nächtlichen Belagerungen von fremden Gästen vor ihrer Haustür in den Heugasse. Esslingens östliche Altstadt hat Charme. Die Gassen sind schmal, die Häuser kleben aneinander, das Kopfsteinpflaster macht seinem Namen noch alle Ehre. Doch die Idylle ist angeschrammt, seit die Stadt die Ritterstraße auf Probe zur Fußgängerzone gekürt hat, klagt Hemminger. Denn die „breiteste Straße im ganzen Viertel“ hatte weite Teile der Altstadt erschlossen. Doch seit 2021 steht an ihrem Entree alles auf vier und mehr Rädern, was es nicht vor 11 Uhr in die Ritterstraße geschafft hat, vor aufgerichteten Pollern. Hemminger: „Der Verkehr ist ja nicht weg, er hat sich nur verlagert.“ Seitdem kämpften sich Kunden und Lieferanten von Rewe, der Württembergischen Landesbühne, der Bank, dem Schuhladen oder der Wäscherei am Hafenmarkt durch die engen Gassen in ihrem Viertel. „Wir brauchen endlich ein Gesamtkonzept für die östliche Altstadt“, fordert die langjährige Stadträtin, die jüngst von der CDU zur FDP gewechselt ist. Dazu kommt auch noch, dass in ein paar Wochen Baumaschinen den Heppächer, die Heugasse, die Landolinsgasse und die Zwerchstraße aufreißen werden. Denn das Tiefbauamt muss zwischen Mitte September und mindestens Ende Februar die über 100 Jahre alten Kanäle erneuern. Im selben Zug werden auch gleich neue Leitungen und ein neues, ebenfalls auf Alt getrimmtes, aber etwas größeres Pflaster verlegt. Mitsamt einem abgefrästen, 1,25 Meter breiten Streifen, der den Belag für Menschen im Rollstuhl, mit einem Rollator oder einem Kinderwagen weniger holprig machen soll. Am Ende der Leidenszeit mit immerhin drei voneinander abgetrennten Bauabschnitten soll dann „was Schönes“ entstanden sein, das sowohl den heutigen Ansprüchen an den Denkmalschutz wie auch an die Barrierefreiheit genüge. Das hat Thomas Feiert vom Tiefbauamt auf einer Videokonferenz in Aussicht gestellt, auf der sein Amt und die Wirtschaftsförderin Christine Clement die dort ansässigen Betriebe schon einmal auf die Eingriffe vorbereiten wollten. Denn zwischen all den Wohnhäusern gibt es nicht nur den Getränkehandel, sondern auch eine Schlosserei. Oder einen Brennstoffhandel. Oder diverse Gastroeinrichtungen, die – selbst wenn sie die Baustelle nicht selbst vor der Nase haben – über die betroffenen Straßen an- und abgefahren werden. Natürlich wolle man dafür sorgen, dass die Anlieger ihre Grundstücke jederzeit erreichen könnten, so Feiert. Gleichzeitig musste er einräumen, dass das mit Fahrzeugen nicht immer der Fall sein werde. Wie der Verkehr dann geführt werde, sondiere man derzeit mit dem Ordnungsamt. Sein Kollege Norbert Seidel betonte, man sei um individuelle Lösungen bemüht und scheue sich auch nicht davor, Beschilderungen zu ändern. „An der Topografie können wir aber nichts machen.“ Damit meint er die engen Kreuzungen, die so manchem Zulieferer schon zum Verhängnis geworden sind. „Jeden Monat wird der Zaun vor dem Einhorn umgefahren“, berichtete Hemminger – von größeren Fahrzeugen, die die Ecke nicht schafften, ohne zurückzustoßen. Und die sich teils völlig orientierungslos in den kuscheligen Einbahngassen verhedderten. Feiert: „Dass es in diesem Altstadtviertel so eng zugeht, macht nicht unsere Baustelle.“ Noch am Morgen nach der Abendveranstaltung kann sich Hemminger in Rage reden. Auch Ralf Wolfer, der Inhaber der Schlosserei schräg gegenüber, ist noch nicht so richtig glücklich. Sechs Wochen lang wird er die Baustelle im kommenden Jahr vor seinem Betrieb haben. Der dritte und letzte Bauabschnitt ist besonders heikel – und wird weitaus mehr Menschen als die direkten Anlieger treffen. Denn dann geht es um den Heppächer und die mittlere Heugasse – und damit um die Hauptzufahrt für den größten Teil der östlichen Altstadt. Was muss, das muss. Dennoch wollen sich Hemminger und Wolfer mit der Aufforderung der Stadt noch nicht zufriedengeben, sie sollten ihre eigenen größeren Lieferungen mit viel Vorlauf im Rathaus anmelden und ihre Lieferanten bitten, auf kleinere Fahrzeuge umzusteigen. „Ich habe jede Woche zwei bis drei fixe Großlieferungen“, sagt die Getränkehändlerin Hemminger. Schlosser Wolfer ist angesichts der Lieferengpässe froh, wenn er überhaupt angedient wird. Da könne man nicht langfristig disponieren. Da müsse man nehmen, was und wann da komme. „Dass gebaut werden muss, ist klar. Aber bitte mit Sinn und Verstand“, erwartet Hemminger vom Technischen Rathaus. Sie fordert: „Machen Sie die Ritterstraße wieder auf!“ Wenigstens während der Bauzeit. Seidel: „Wir werden eine Lösung finden. Wenn die nur über eine Öffnung der Ritterstraße geht, wird es auch so kommen.“ Von den anstehenden Kanal-, Leitungs- und Belagsarbeiten sind Abschnitte der Heugasse, der Landolinsgasse, der Straße Im Heppächer und die gesamte Zwerchstraße betroffen. Gebaut wird in drei Bauabschnitten, der Zeitplan ist noch vorläufig. Der erste Bauabschnitt reicht von der Heugasse 25 bis zur Hauffstraße 8. Dauer: 12. September bis 2. November. Ab 3. November geht es dann in der Zwerchstraße weiter, und zwar bis 12. Januar. Anschließend ist der besonders neuralgische Bereich Im Heppächer, Heugasse und Landolinssteige an der Reihe, über den ein Großteil der östlichen Altstadt erschlossen wird. Vorerst geplant sind die Arbeiten vom 13. Januar bis 28. Februar.