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Der Fund größerer Mengen gefährlicher Substanzen in der Wohnung eines Mannes in Köngen ist kein Einzelfall. Allein im vergangenen Jahr gingen beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg 292 Hinweise von Händlern auf verdächtige Transaktionen ein.
Die Polizei hat vor wenigen Tagen bei der Durchsuchung einer Wohnung in Köngen größere Mengen Chemikalien entdeckt, die potenziell zur Herstellung von Sprengstoffen geeignet waren. Ein Händler hatte die Ermittler auf die Spur des Mannes gebracht, dessen Wohnung dann durchsucht wurde. Dem Händler war die Bestellung des 62-Jährigen aus dem Kreis Esslingen merkwürdig vorgekommen, weshalb er sie dem Landeskriminalamt (LKA) meldete. Solche Fälle kommen öfter vor: Allein im vergangenen Jahr wurden der Ermittlungsbehörde 293 verdächtige Transaktionen mitgeteilt, berichtet David Fritsch, der Sprecher des LKA in Stuttgart. Es ist in Baden-Württemberg zuständig für die Überprüfung auffälliger Chemikalienkäufe. Im Jahr zuvor seien es etwa 200 Verdachtsmeldungen gewesen. „Es handelt sich hierbei allerdings um keine belastbaren Zahlen, da die statistischen Erfassungskriterien durch das Bundeskriminalamt im Laufe des Jahres 2021 mehrmals geändert wurden“, räumt er ein.
Die Polizei ist aus ernstem Grund wachsam: Bestimmte Chemikalien können für kriminelle Zwecke genutzt werden. Zum Beispiel zur Herstellung synthetischer Drogen. Schlimmer noch: Terroristen können sie verwenden, um daraus Bomben zu basteln. In der EU sei die Bedrohungslage durch selbst hergestellte Explosivstoffe hoch – Tendenz steigend, warnt das Bundeskriminalamt. Deshalb ist der Handel mit sogenannten Ausgangsstoffen reguliert.
Um zu verhindern, dass Chemikalien in gefährlicher Menge in falsche Hände geraten, gilt in Deutschland seit Februar vergangenen Jahres das sogenannte Ausgangsstoffgesetz. Es setzt eine entsprechende EU-Richtlinie um. Diese listet 19 Stoffe auf, deren Erwerb und Besitz ab bestimmten Konzentrationen verboten sind – unter anderem Salpetersäure, Wasserstoffperoxid, Schwefelsäure, verschiedene Chlorate, Aceton und Magnesiumpulver. Aber auch Ammoniumnitrat – dieser Stoff hatte im Jahr 2020 zu der verheerenden Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut geführt.
Grundsätzlich, räumt Fritsch mit Verweis auf die EU-Verordnung ein, sind die aufgelisteten Chemikalien für die Allgemeinheit bis zu einer bestimmten Grenze frei zugänglich. Erhältlich sind die Substanzen, die beispielsweise als Bleich-, Desinfektions- oder Lösungsmittel Verwendung finden, nicht nur im Fachhandel, sondern zum Teil auch in Baumärkten, Apotheken und bei Online-Händlern. Doch die gewerblichen Anbieter haben sich an strenge Auflagen zu halten.
Wer mit Produkten handelt, die solche Ausgangsstoffe beinhalten, für den gilt eine Meldepflicht: Wenn ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass der Stoff für illegale Zwecke verwendet werden soll, muss der Händler seinen Verdacht innerhalb von 24 Stunden der Polizei mitteilen – auch dann, wenn er die Transaktion abgelehnt hat. Die Wachsamkeit der Händler könne helfen, die die Planung schwerer Straftaten zu vereiteln, so das Bundeskriminalamt.
Die Verdachtskriterien sind in den Leitlinien der EU klar definiert. Als Anzeichen für verdächtiges Verhalten gilt beispielsweise, wenn ein Kunde nicht bereit ist, auf Anfrage seine Identität nachzuweisen; wenn er um unübliche Verpackungs-, Liefer- und Zahlungsmethoden bittet, konkrete Angaben zur Verwendung verweigert oder versucht, erhebliche Mengen eines Stoffes oder eine ungewöhnliche Produktkombination zu kaufen.
So wie in dem Köngener Fall: Der Mann, in dessen Wohnung mehrere Kilo Chemikalien gefunden wurden, soll nach Polizeiangaben versucht haben, weitere gefährliche Stoffe zu erwerben. Sprengfähiges Material habe man vor Ort allerdings nicht gefunden, hieß es. Die Ermittler haben bei ihm auch keine Anhaltspunkte für einen extremistischen Hintergrund erkennen können. Welche Substanzen sichergestellt wurden, wollte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht sagen. Auch nicht, wofür der 62-Jährige die gefährlichen Chemikalien verwenden wollte. Mitgeteilt wurde lediglich, der Mann habe keinen beruflichen Bezug zu den Mitteln und verfüge auch nicht über das Wissen für den richtigen Umgang damit.
Seit Inkrafttreten der EU-Verordnung am 1. Februar vergangenen Jahres wurden dem LKA Baden-Württemberg laut Fritsch 374 verdächtige Transaktionen gemeldet. „Hierbei handelt es sich jedoch nicht gleichzeitig um Verstöße“, betont der Sprecher. Den hierzu vorliegenden Erkenntnissen zufolge seien die Ausgangsstoffe „überwiegend für legale Verwendungsmöglichkeiten“ erworben worden. Welche Mengen an gefährlichen Chemikalien seither sichergestellt wurden, darüber lägen dem Landeskriminalamt „keine belastbaren Erkenntnisse“ vor, weil dies die örtliche Polizei übernimmt. Deshalb wisse man auch nichts über die Art der sichergestellten Ausgangsstoffe.