Foto: Roberto Bulgrin
„Vergangenes Jahr hatten wir fast keinen Ertrag. Die meisten Imker unseres Vereins konnten überhaupt keinen Honig ernten“, sagt Rüdiger Knöß, Vorsitzender des Bezirksbienenzüchter-Vereins Esslingen. Der häufige Regen und die niedrigen Temperaturen zwischen Mai und Juli seien daran schuld. Ein Problem, das laut Deutschem Imkerbund bundesweit für die schlechteste Honigernte seit fünf Jahren sorgte. Der Süden und der Westen Deutschlands waren besonders betroffen. Die Bienen hätten zu wenig Nektar in den Blüten gefunden und mussten teilweise zugefüttert werden, um zu überleben. „Viele wissen nicht: Wir können nur drei Monate im Jahr Honig ernten, Mai, Juni und Juli. Imker arbeiten das ganze Jahr für diese drei Monate“, sagt Berengar Weber, Berufsimker und langjähriges Vereinsmitglied. Es gebe pro Jahr drei große Trachten: Frühtracht, Akazie und Linde. Nur während dieser Blühphasen könne sich ein Bienenvolk größere Honigvorräte anlegen. „Die Bienen brauchen ein Blütenmeer. Jeder Regentag in dieser Zeit bedeutet ungefähr ein Prozent Einbuße unseres Ertrags.“ Der Berufsimker hat seine Bienen in einem größeren Umkreis verteilt und konnte zumindest einen kleinen Ertrag erzielen: ungefähr 30 Prozent eines durchschnittlichen Jahres.
Knöß und Weber sind sich einig: Die Arbeit eines Imkers wird im Verlauf des Klimawandels schwieriger. Durch milde Winter und schnelle Temperaturanstiege im Frühjahr blühe die erste Tracht immer früher und verblühe auch schneller. Grund sei, dass bei einem langsamen Temperaturanstieg die Bäume mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu blühen beginnen. Wenn die Temperatur schlagartig ansteige, erblühen und verblühen alle in einem kürzeren Zeitraum.
Wenn dies zu früh geschehe, könne es sein, dass die Bienen in ihrer Entwicklung noch nicht bereit seien, die Tracht voll zu nutzen. Und selbst wenn das Volk bereit sei: Die kürzere Blühdauer verringert den Honigertrag. Aber nicht nur auf Feuchtigkeit und sich ändernde Blühphasen reagieren die Bienen empfindlich. „Trockenheit ist das Schlimmste“, sagt Weber, da Bäume bei Wassermangel als erstes ihre Blüten abwerfen, um Energie zu sparen.
Dass die Arbeit mit den unkooperativen Nutztieren oft nicht einfach ist, kann sich wohl jeder vorstellen, der einmal mit dem Hinterteil einer Biene Bekanntschaft gemacht hat. „Man wird quasi jeden Tag gestochen. Es passiert immer, dass man versehentlich mal eine Biene einklemmt oder eine in ein Hosenbein krabbelt“, sagt Weber. Den Kasten öffnet er ohne die typische Imkerschutzausrüstung, nur mit einem „Smoker“ bewaffnet, mit dem er Rauch in das Gewimmel bläst. „Rauch simuliert einen Waldbrand. Die Bienen fressen sich voll, um möglichst viel von ihren Vorräten zu retten, und werden träge“, erklärt er.
Im Wald leben Honigbienen schon lange nicht mehr. „Honigbienen sind komplett domestizierte Haustiere. Freilebende Honigbienen gibt es nicht, da sie auf einen Imker angewiesen sind, der sie am Leben erhält“, sagt Weber. Wenn ein Schwarm entkomme, sterbe er spätestens im zweiten Jahr an Varroamilben-Befall. Der aus Ostasien stammende Parasit wurde 1977 erstmals in Deutschland nachgewiesen und ist seitdem für das Sterben etlicher Bienenvölker verantwortlich. Der Imker müsse regelmäßig die Stärke des Befalls eindämmen. Milbenfrei werden die Völker nicht, da die Vielflieger den Parasit ständig neu einschleppen. Mit organischen Säuren, wie Ameisensäure, rücke man der Milbe zu Leibe. Mit einem Verdampfer werde sie im Stock verteilt. Das sei aber auch nur bei Temperaturen von mehr als 20 Grad möglich. „Wenn es zu kalt ist, verdampft nicht genügend Säure. Man kann die Säure auch sprühen, aber das reicht nicht bis in die Brutwaben“, sagt Knöß. Im vergangenen Jahr seien einige Völker gestorben. Gestresst und geschwächt durch das schlechte Wetter, seien sie besonders anfällig gewesen.
An den Völkern hängen auch Emotionen, sagen die beiden Imker. Man dürfe die Biene nicht als einzelnes Tier ansehen, sondern müsse die Bienenvölker als Einheit verstehen. „In der biologischen Forschung spricht man oft von einem Superorganismus, der viel Ähnlichkeit mit Säugetieren aufweist“, so Weber. „Sie betreiben Brutpflege, ähnlich dem Stillen bei Säugetieren, und können im Schwarm ihre Temperatur halten.“ Und obwohl eine Bienenkönigin tausende Eier lege, sei die Reproduktionsrate des Schwarms gering: Aus einem Bienenschwarm entsteht pro Jahr im Regelfall nur ein weiteres Bienenvolk.
Für die Honigernte in diesem Jahr ist Weber noch sehr optimistisch: „Es ist genügend Tiefenfeuchtigkeit aus dem vergangenen Jahr vorhanden. Ich hoffe jetzt noch auf ein paar Regentage im April.“