Foto: Roberto Bulgrin
Die ersten Unterschriftenbögen hat die Initiative Fuß- und Radentscheid Esslingen am Sonntag beim großen Radkorso auf der B 10 schon eingesammelt. Rund 5000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner muss die bunt gemischte Gruppe zusammenbekommen, um die quantitativen Voraussetzungen für einen Bürgerentscheid zu schaffen. „Ein lebenswertes Esslingen braucht aus unserer Sicht menschengerechte Straßen und Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität. Deshalb wollen wir, dass die Stadt Esslingen deutlich mehr als bisher in den Ausbau von Fuß- und Radinfrastruktur investiert“, begründet sie ihr Bürgerbegehren, für das Christine Sigg-Sohn, Petra Schulz vom VCD Esslingen und Joachim Schleicher vom ADFC Esslingen als Vertrauenspersonen benannt sind. Das Bürgerbegehren wird auch von zahlreichen Verkehrs-, Umwelt- und Klimaverbänden samt Schwäbischem Albverein und Stadtseniorenrat unterstützt.
Dazu soll ein Zehn-Punkte Programm bis 2027 verhelfen: Angefangen von der Forderung nach barrierefreien Gehwegen und sicheren Überquerungsmöglichkeiten über den Wunsch nach mehr Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen bis zum Drängen auf sichere, leistungsfähige Radwege und Radabstellplätzen macht die Gruppe klare Ansagen, was sie von Verwaltung und Gemeinderat erwarten. Ist das Bürgerbegehren zulässig, muss der Gemeinderat entweder die darin verlangten Maßnahmen oder einen Bürgerentscheid darüber beschließen.
Ob die Fragestellung und die zehn Punkte den formalen Anforderungen für ein Bürgerbegehren genügen, wird sich zeigen. Die städtischen Juristen hatten dem Bürgerbegehren in seiner ersten Fassung jedenfalls wenig Aussicht gemacht, dass es rechtlich zulässig sei. Sie bemängelten zu unkonkrete Angaben. Sei zudem auch nur eine der zehn Forderungen nicht zulässig, sei das ganze Paket hinfällig. Und der Kostendeckungsvorschlag, Mittel aus dem Straßenbau dafür umzuschichten, funktioniere so wohl auch nicht. Deshalb hat die Gruppe ihre Forderungen nochmals überarbeitet, berichtet Thomas Albrecht vom ADFC. „Wir sind dankbar für die Hinweise der Stadt“, ergänzt Petra Schulz. Die Initiative hat die Kosten für ihr Zehn-Punkte-Programm nunmehr selbst geschätzt und kommt auf jährlich 5,7 Millionen Euro. Sie rechnet aber damit, dass 70 Prozent dieser Summe über Zuschüsse von Bund und Land wieder eingefahren werden können.
Als Gegenfinanzierungsvorschlag, der in einem Bürgerbegehren immer mitformuliert werden muss, aber keine bindende Wirkung hat, hat sie die Umschichtung von Mitteln aus dem Tiefbauamt, höhere Erlöse aus der Parkraumbewirtschaftung und eben die Akquise von Fördermitteln benannt.
„Auch in München, Stuttgart, Hamburg , Düsseldorf , Freiburg oder Frankfurt ist der Radentscheid nicht daran gescheitert, weil das notwendige Quorum nicht erreicht wurde. Sondern daran, dass die Bürgerbegehren nicht den rechtlichen Voraussetzungen entsprochen haben“, hatte Oberbürgermeister Jürgen Zieger der Initiative auf ihr erstes Schreiben hin geantwortet. Das ist auch den Initiatoren bewusst. „Wir sind in Kontakt mit anderen Radentscheiden. Aber die Ziele rechtsfest zu machen, ist sehr, sehr schwierig“, weiß auch Petra Schulz. Letztendlich geht es der Initiative aber vor allem darum, ihr Thema in die Öffentlichkeit zu rücken und zu zeigen, dass die Mobilitätswende einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat. Zieger bestätigte der Gruppe auch, dass man durchaus gemeinsame Ziele mit dem Fuß- und Radentscheid sehe. Immerhin hat die Stadtverwaltung in ihrem Mobilitätskonzept selbst den Ausbau des Rad- und Fußgängerverkehrs propagiert.
„Aber es geht um eine Neuverteilung des öffentlichen Raums, mit der die gewohnten Nutzungsansprüche in Frage gestellt werden“, ist sich Schulz im Klaren. Und worüber man sich als grundsätzliches Ziel einig sei, müsse sich im jeweiligen Einzelfall jedes Mal wieder neu beweisen, weiß auch Rathaussprecher Roland Karpentier.
Rechtliche Gründe haben auch den Ausschlag dafür gegeben, dass die Initiative Fuß- und Radentscheid Esslingen vorerst von dem geplanten Bürgerbegehren für die schnelle Ertüchtigung und Reaktivierung des maroden Alicenstegs Abstand genommen hat. „Stattdessen haben wir unsere Online-Petition bei openPetition wieder reaktiviert“, berichtet Jörg Exner von der Esslinger Ortsgruppe von FUSS e.v. Man habe sich von dem Verein „Mehr Demokratie“ beraten lassen. Anders als in dem initiativen Zehn-Punkte-Paket beziehe sich diese Forderung auf bestehende Ratsbeschlüsse und müsste deshalb in einem zeitlich straff fixierten Rahmen abgehandelt werden. Bestenfalls hätte man noch vier Wochen Zeit gehabt, 5000 Unterschriften einzusammeln. Weshalb man sich nun entschieden habe, das Thema über die Online-Petition, zu der man auch Unterschriften auf Papier einreichen könne, in Bewegung zu halten.
Wer für den Fuß- und Radentscheid unterschreiben möchte, kann sich das Formular im Internet unter https://fuss-radentscheid-esslingen.de/ herunterladen und in der Landhausstraße 105 oder im Buchladen Die Zeitgenossen in der Strohstraße 28 abgeben. Alle Informationen zum Alicensteg finden sich unter https://fuss-radentscheid-esslingen.de/alicensteg/