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Edelpilze frisch aus dem Automaten

Foto: Andreas Kaier

Was einst als reines Hobby begann, hat sich für den Geschäftsmann Michael Grözinger und dessen Frau Enikö inzwischen zu einem weiteren unternehmerischen Standbein entwickelt. In den Kellern des früheren Gästehauses der ehemaligen Papierfabrik Scheufelenin Oberlenningen züchten die beiden seit zwei Jahren Edelpilze. Um sie verkaufen zu können, haben sie direkt am Haus einen Automaten aufgestellt, den sie täglich mehrmals mit frischen Pilzen bestücken. „Momentan ist die Nachfrage noch größer als das, was wir produzieren können“, sagt Michael Grözinger, der nicht mit diesem Erfolg gerechnet hatte. Zusammen mit seiner Frau habe er sich das als „gemütliches Hobby“ ausgedacht. Doch dann sei alles ganz anders gekommen.

Inzwischen vermarkten die beiden täglich bis zu acht Kilogramm Edelpilze, beispielsweise Rosen-, Kräuter- und Limonen-Seitlinge, den edlen und von Feinschmeckern sehr geschätzten Pom Pom oder auch den Piopino, der vor allem in Italien und Frankreich schon lange als Delikatesse gilt. „Natürlich züchten wir auch Champions, aber das ist wegen der großen Nachfrage entstanden“, sagt Grözinger, der sich vor allem edleren Pilzsorten verschrieben hat. „Anfangs haben wir nur mit verschiedenen Zuchtsets experimentiert und geschaut, ob es überhaupt funktioniert“, erzählt der Geschäftsmann, der in dem ehemaligen Gästehaus 24 Apartments für Monteure langfristig vermietet und zudem einen Gerüstverleih betreibt.

Das etwa 200 Jahre alte und heute denkmalgeschützte Gebäude hat er vor zehn Jahren gekauft, in Eigenregie umgebaut und saniert. Er selbst lebt mit seiner Familie im liebevoll restaurierten Saal der ehemaligen Gastwirtschaft Adler. Als die Grözingers so nach und nach immer mehr Keller auf dem Gelände ihres Anwesens in Oberlenningen entdeckten, knüpfte Michael Grözinger an seine alte Idee an. Schon vor mehr als 20 Jahren hatte er in Schorndorf versucht, Pilze zu züchten. Doch seine Bemühungen scheiterten seinerzeit ebenso, wie später in dem Keller eines Hotels in Echterdingen, das er für einige Zeit gepachtet hatte, bevor es ihn vor zehn Jahren mit seiner Frau nach Oberlenningen verschlug.

„Von Anfang an waren die riesigen Keller und was man aus ihnen machen könnte ein Thema für uns“, erzählt Grözinger. Er begann, die ersten beiden Gewölbekeller aus Tuffstein zu sanieren und entdeckte während der Arbeiten immer weitere Keller, die hinter den Wänden verborgen waren. Unter anderem kamen ein zweistöckiger Bunker ans Tageslicht und ein weiterer kleinerer Schutzraum mit Inschriften aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. „Wir denken, dass die Bunker von der Familie Scheufelen und Mitarbeitern der Papierfabrik genutzt wurden“, spekuliert der Lenninger Unternehmer, der in den vergangenen beiden Jahren so nach und nach 40 Tonnen Beton in seinen Kellern verbaut hat.

Inzwischen dienen sämtliche acht Keller inklusive des Bunkers der Pilzzucht. „Wir haben schnell gemerkt, dass es in diesen Kellern funktioniert“, so Michael Grözinger weiter. Um so wenig wie möglich an Müll zu produzieren, stellen er und seine Frau die Substrate selbst her. Sie sind ein Gemisch aus verschiedenen Holzspänen und weiteren Zutaten, die Michael Grözinger nicht detailliert verraten will. Am Schluss kommen die zugekauften Pilzsporen dazu, bevor die Ballen in eine Kunststofffolie eingewickelt und in ein Kellerregal eingelagert werden.

Dann heißt es warten. Je nach Sorte kann es zwischen drei Wochen und acht Monaten dauern, bis sich das weiße Pilzgeflecht, das so genannte Myzel, gebildet hat. Daraus entstehen dann innerhalb weniger Tage die heiß begehrten Fruchtkörper. „Wir müssen jeden Morgen die einzelnen Ballen in die Hand nehmen und schauen, wie weit alles ist“, beschreibt Grözinger das aufwendige Prozedere. Wenn sich nach Wochen oder Monaten die ersten Pilzhütchen zeigen, wird die Kunststofffolie an dieser Stelle aufgerissen, damit die Pilze wachsen können. Manche können nach drei Tagen geerntet werden, andere wiederum erst nach drei Monaten.

Damit die Kunden stets frische Pilze bekommen, befüllen Michael und Enikö Grözinger ihren Automaten mehrmals am Tag. Vor allem an den Wochenenden, wenn es viele Ausflügler aus der ganzen Region auf die Schwäbische Alb zieht, kann es passieren, dass bis mittags alle Pilze verkauft sind. Inzwischen werden die beiden der steigenden Nachfrage immer besser Herr. „Wir machen inzwischen jeden Tag neue Ballen“, sagen sie – und probieren auch neue Sorten aus.

Ob daraus am Ende etwas Verwertbares heraus kommt, lässt sich oft erst nach Wochen oder Monaten sagen. Auch kann es passieren, dass ein Pilz, der heute noch an einer bestimmten Stelle im Keller gut gedeiht, dort schon morgen nicht mehr wächst. Beispielsweise, wenn sich die Umgebungstemperatur um zwei oder drei Grad Celsius verändert oder der Sauerstoffgehalt der Luft etwas weniger wird. „Jeder Pilz verhält sich anders“, sagt Grözinger. 

Inzwischen haben er und seine Frau in einen der Keller eine professionelle Küche eingebaut, wo ein Teil der Pilze zubereitet und in Maultaschen gefüllt oder zu Teigtaschen und Pilzknödel verarbeitet wird. Zu kaufen gibt es diese Leckereien derzeit  ausschließlich am Automaten. Doch die beiden haben weitere Ideen. Sie denken an Pilzaufstriche, an Heiltees und über die Herstellung von Pilzlikören.