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Mehr Verlässlichkeit im Pflegealltag

Foto: Ines Rudel

Krankenpflege, das ist nicht erst seit Corona ein knochenharter Job. Die Frauen und Männer in Kliniken arbeiten mit körperlichen Einsatz, zu allen Tages- und Nachtzeiten, mit viel Verantwortung für das Leben der Patienten. Dass dann auch noch der zur Erholung dringend nötige freie Tag ausfallen soll, weil ein Ersatz für den erkrankten Kollegen gesucht wird, macht die Arbeit nicht unbedingt attraktiver. „Früher, als meine Kinder noch klein waren, war das schwer für mich zu organisieren“, erinnert sich Katja Dannenberg, Gesundheits- und Krankenpflegerin bei den Medius-Kliniken am Standort Nürtingen. Um dem entgegenzuwirken, bauen die Medius-Kliniken des Landkreises Esslingen ein sogenanntes Ausfallmanagement auf.

Das Konzept ist einer von mehreren Ansatzpunkten, um dem Personalbedarf in den drei Standorten Kirchheim, Nürtingen und Ostfildern-Ruit gerecht und als Arbeitgeber attraktiver zu werden, erklären der Leiter des Personalmanagements, Michael Grubwinkler, und Pressesprecherin Iris Weichsel. „Das ist auch zwingend erforderlich, denn wir sehen uns wie viele andere Krankenhäuser mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert“, so Weichsel. Einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2020 zufolge, könnten bundesweit in der stationären Versorgung bis 2035 rund 307 000 Pflegekräfte fehlen. Das Ausfallmanagement umfasst einen täglichen Krankheitsvertretungsdienst für die Allgemeinstationen jedes Klinikstandorts. „Wenn eine Kollegin früher in der Nacht Magen-Darm bekam und um 6 Uhr nicht kommen konnte, ging das Telefonieren los“, sagt Weichsel. Nun hilft eine vorab dafür eingeteilte Pflegekraft in der Morgenschicht aus, wo Not am Mann ist. Wenn kein Bedarf besteht, kann sie in ihrer eigenen Station unterstützen – das ist laut Tanja Franz, Pflegedienstleiterin in Kirchheim und Nürtingen sowie Verantwortliche für das Projekt Ausfallmanagement, zu 70 Prozent der Fall. Den Krankheitsvertretungsdienst gibt es seit ein paar Jahren, als Wertschätzung erhalten die Fachkräfte Gutscheine fürs Tanken, Einkaufen oder Geld. Auch Dannenberg, die normalerweise in der Onkologie und Diabetologie arbeitet, übernimmt Vertretungsdienste. „Es ist schön andere Leute und Fachbereiche kennenzulernen“, sagt die 51-Jährige.

Darüber hinaus werden derzeit mehrere Personalpools mit einem festen Stamm an Fachkräften aufgebaut, die bei längerfristigen Ausfällen einspringen. Als Anreiz gibt es Zulagen bis zu 1200 Euro, Dienstwagen oder wählbare Schichten. Letzteres sei für Männer und Frauen in besonderen Lebenslagen interessant, die beispielsweise kleine Kinder haben, sagt Weichsel. Seit jeher flexibel im Einsatz sind viele OP-Pflegekräfte und Hebammen sowie das Personal der Intensivstationen, auch sie erhalten nun Zulagen für diesen Einsatz.

Im Krankenhaus gibt es eine gewisse Fluktuation des Personals durch Elternzeit, Rente und andere Gründe, die vorausschauend kompensiert werden muss, wie Pflegedienstleiterin Franz erklärt. Den Medius-Kliniken ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen. Von 2019 auf 2020 seien es, auf Vollzeitstellen gerechnet, 83 gewesen, davon 65 im ärztlichen und pflegerischen Bereich. „Darauf sind wir stolz“, sagt Grubwinkler. Zudem habe Corona zumindest eine gute Seite, erklärt Weichsel: Die Pflegeberufe erfahren mehr Wertschätzung, weshalb sich zuletzt so viele Auszubildende bei den Medius-Kliniken beworben hatten, wie lange nicht.

Die Corona-Pandemie bedeutet aber auch einen Kraftakt. Die psychische Belastung sei zwar nicht mehr so groß wie vor einem Jahr, als man noch nicht wusste, wie man mit den Covid-19-Patienten umgehen soll, schildert Dannenberg. Aber der Krankenhausalltag sei nicht, wie vor der Pandemie, die Grundbelastung sei höher, ergänzt Weichsel. „Wir haben derzeit wahnsinnig viele Patienten mit hohem Pflegeaufwand“, sagt Dannenberg. Das Ausfallmanagement erleichtert es, die Last zu verteilen: „Eine Kollegin im Krankheitsvertretungsdienst konnte heute bei uns in der Station bleiben und helfen. Es war ein Geschenk“, sagt Dannenberg. Ihr Eindruck: Das Ausfallmanagement und die Anreize für die Teilnahme erleichterten den Alltag, sie werde weniger aus der Freizeit geholt. Dennoch bleibt die Belastung groß. Was sie sich wünsche? Gutscheine empfindet Dannenberg zwar als Wertschätzung ihrer Arbeit. Eine bessere Vergütung und weniger Patienten pro Pflegekraft, wünscht sie sich dennoch.

Die Mediuskliniken verzeichnen derzeit mehr als 1800 Vollzeitstellen in den ärztlichen, pflegerischen und weiteren Diensten im medizinischen Bereich. Eine Pflegefachkraft in Vollzeit verdient nach dem Tarif des Öffentlichen Dienstes je nach Dienstjahren und Qualifikation zwischen 2900 und 3950 Euro Grundentgelt monatlich brutto, hinzu kommt ein Anteil von Weihnachtsgeld und Zulagen, zum Beispiel für Nacht- und Sonntagsarbeit. Die Vergütung ist je nach Fall sehr unterschiedlich.