Foto: Roberto Bulgrin
Noch steht nicht fest, wie die weitgehende Lähmung des öffentlichen Lebens durch das Coronavirus auf die Wirtschaft im Landkreis Esslingen durchschlagen wird. Doch zeigt die Pandemie schon jetzt wie unter einem Brennglas, wo die Probleme liegen. So wanken zwei Pfeiler, die bisher unter anderem die Wirtschaftskraft des Landkreises ausmachen: der Maschinen- und Fahrzeugbau, dem gleichzeitig der Strukturwandel beim Antriebsstrang und die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland zu schaffen macht, sowie das Gastronomie- und Hotelgewerbe, das unter dem Einbruch des Geschäftsreisetourismus besonders leidet.
Vor diesem Hintergrund hat der Ausschuss für Technik um Umwelt des Esslinger Kreistags in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, den im Jahr 2017 begonnenen und auf drei Jahre angelegten „Prognos-Zukunftsdialog“ in einen „Zukunftsdialog Landkreis Esslingen“ zu überführen. Die Zusammenarbeit zwischen den Entscheidungsträgern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft soll auf Dauer etabliert werden.
„Einen Schlussstrich zu ziehen wäre gerade jetzt, angesichts der Herausforderungen durch die Coronakrise, das falsche Signal gewesen. Mit dem Zukunftsdialog wollen wir die Kräfte bündeln und die Attraktivität des Landkreises Esslingen als Wirtschaftsstandort auch in Zukunft sichern“, steckte der Esslinger Landrat Heinz Eininger (CDU) das Ziel ab. Mit dem Prognos-Zukunftsdialog, den die Kreisverwaltung gemeinsam mit der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und der Prognos AG initiiert habe, seien die richtigen Entwicklungen angestoßen worden. Jetzt gelte es, die in den vergangenen Jahren gesetzten Leitplanken den Gegebenheiten neu anzupassen.
Mit welchen Themen sich das um jeweils ein Mitglied der Kreistagsfraktionen, der IHK, der Kreishandwerkerschaft, der Hochschulen Esslingen und Nürtingen, der Agentur für Arbeit und dem Arbeitgeberverband Südwestmetall erweiterte Steuerungsgremium in seinen jährlich zwei Zusammenkünften vorrangig beschäftigen soll, darüber hat im Sitzungssaal des Landratsamts fraktionsübergreifende Einigkeit geherrscht. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen die vier Bereiche Fachkräftesicherung und Existenzgründung, Transformation und Strukturwandel, Digitalisierung, neue Arbeitsformen (Stichwort: New Work) und attraktive Standortfaktoren zum Wohnen und Arbeiten.
Einhellig hat die Ratsrunde es als weitsichtig gewürdigt, dass sich der Landkreis schon vor vier Jahren, aufbauend auf der guten Platzierung im Prognos-Zukunftsatlas des Vorjahres, Schwerpunktthemen gesetzt hat, die er strategisch und operativ weiterentwickelt hat. Auf dieser damals gelegten guten Grundlage, so der SPD-Fraktionssprecher Joachim Hahn, könne man der Zukunft ohne Angst vor Veränderungen entgegensehen.
Im Jahr 2016 hatte das Baseler Wirtschaftsförderungsunternehmen Prognos AG den Landkreis Esslingen hinsichtlich seiner Zukunftschancen auf Rang 22 unter den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland gesehen. Obwohl in der jüngsten Bewertung aus dem Jahr 2019 auf Rang 31 abgerutscht, gilt der Kreis Esslingen im bundesweiten Prognos-Ranking immer noch als ein Landkreis mit „hohen Zukunftschancen“.
Ungeachtet der großen Einigkeit über die generelle Stoßrichtung haben die Sprecher der Kreistagsfraktionen unterschiedliche Erwartungen an den künftigen „Zukunftsdialog Landkreis Esslingen“ gerichtet. Die Bandbreite reichte von „die aktuellen Corona-Auswirkungen auf den Landkreis in den Griff bekommen“ (Peter Nester, CDU) über „die Auswirkungen auf den Klimaschutz bedenken“ (Jürgen Menzel, Grüne) bis hin zu „der sich durch Corona besonders weit öffnenden Schere zwischen arm und reich entgegensteuern“ (Reinhold Riedel, Linke).
Den übergeordneten Wert des Schulterschlusses zwischen den Entscheidungsträgern im Landkreis Esslingen hatte Tobias König von der begleitenden Beratungsgesellschaft Prognos AG zuvor in wenigen Stichworten umrissen: Partner an den Tisch holen, Türen öffnen, nach Gemeinsamkeiten suchen, Schnittstellen besetzen und die Entscheider zusammenbringen. Das alles muss der Landkreis nun selbst in die Hand nehmen. Das bisher von der Prognos AG durchgeführte Projektcontrolling liegt künftig in der Hand des Kreiswirtschaftsförderers Markus Grupp. Im September dieses Jahres wird sich der Steuerungskreis unter seiner Leitung zum ersten Mal zusammensetzen.
Rangliste: Wie gut sind Deutschlands Kreise und Städte für die Zukunft aufgestellt? Diese Frage beantwortet der Prognos-Zukunftsatlas, indem er die Zukunftschancen und -risiken aller 401 Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands bewertet. Der Atlas erscheint seit 2004 alle drei Jahre. Damit ist er das einzige deutschlandweite Ranking, das regionale Entwicklungen über einen größeren Zeitraum sichtbar macht. Unternehmen Prognos ist eines der ältesten Wirtschaftsforschungsunternehmen Europas. Seit 1959 forschen unabhängige Fachleute für Auftraggeber aus dem öffentlichen und privaten Sektor. Region Im Zukunftsatlas 2019 liegt die Stadt Stuttgart auf Rang 5. Es folgen die Kreise Böblingen (Rang 7), Ludwigsburg (18), Esslingen (31), Rems-Murr (99) und Göppingen (152).