Foto: Roberto Bulgrin
Der Aufschrei bei Anwohnern und Gewerbetreibenden war laut, als die Stadt im Herbst auf der Hindenburgstraße weitere Pfosten setzen ließ. Und zwar an der stark befahrenen Kreuzung mit der Olgastraße, die zuvor von vielen Autofahrern gerne als Nord-Süd-Verbindung zwischen Plochinger Straße und Urbanstraße genutzt wurde. Mit der Diagonalsperre können Autofahrer und Laster die Hindenburgstraße nicht mehr überqueren. Denn seit die Hindenburgstraße vor einigen Jahren als Fahrradstraße ausgewiesen und vorfahrtsberechtigt wurde, war es an dieser Kreuzung immer wieder zu Unfällen gekommen.
Unternehmen hätten gerne mehr Unterstützung
Auf Anregung der Freien Wähler hat das Amt für Wirtschaftsförderung Ende des vergangenen Jahres dann Firmen, Dienstleister und Einzelhändler in diesem Quartier befragt, welche Folgen die Pfosten für sie haben. Zwei Drittel der angeschriebenen 20 Unternehmen hatten eine Rückmeldung abgegeben, berichteten jetzt Wirtschaftsförderer Marc Grün und seine Kollegin Christine Clement dem gemeinderätlichen Mobilitätsausschuss. Lob gab es dafür, dass die Stadt mit der deutlich verbesserten Farbmarkierung auf der Hindenburgstraße wenige Wochen vor der Diagonalsperre schon viel für die Verkehrssicherheit getan habe. Allerdings hätten sich viele Geschäftsleute gefragt, ob man nicht erst einmal hätte abwarten können, ob das zur Entschärfung der Situation nicht schon ausgereicht hätte. Oder ob es nicht zum Beispiel mehr Geschwindigkeitskontrollen getan hätten, berichtete Clement. Die Diagonalsperre verlagere nur den Verkehr und reduziere die Kundenbasis der ansässigen Geschäfte, die aufgrund ihrer Nebenlage einfach auf Fahrkundschaft angewiesen seien und ohnehin schon mit Parkplatzmangel zu kämpfen hätten, gab sie die Kritik aus dem Viertel wieder. Dass die Pfosten auch noch ausgerechnet während der Corona-Pandemie gesetzt wurden, trug auch nichts zur Stimmungsaufhellung vor Ort bei. „Die Unternehmen wünschen sich Unterstützung durch die Stadt statt weiterer Belastungen. Vor allem aber waren sie enttäuscht, dass die Maßnahmen nicht im Vorfeld mit den Gewerbetreibenden und Anwohnern abgestimmt worden waren “, berichtete Clement. „Bei frühzeitiger Abstimmung wären die drastischen Eingriffe vielleicht gar nicht notwendig geworden“, heiße es im Quartier.
Stadt verweist auf zahlreiche Unfälle
Das sieht man im Stadtplanungsamt anders: Seit die Fahrradstraße 2013 eingerichtet und 2015 bis zur Kiesstraße verlängert worden sei, habe sich der Radverkehr dort annähernd verdoppelt. So beschrieb Jürgen Gröger den durchaus gewünschten Erfolg der umgewandelten Hindenburgstraße. Die habe allerdings noch einige Schwachstellen ausgewiesen. Die gravierendste: die Kreuzung Olga-/Hindenburgstraße, auf der es zwischen 2015 und 2016 zu sieben Unfällen mit Verletzten gekommen sei– alle nach ähnlichem Muster: Autofahrer, die auf der Olgastraße unterwegs waren, hatten die Vorfahrt der Verkehrsteilnehmer auf der Fahrradstraße nicht berücksichtigt. Weichere Maßnahmen zur Entschärfung der Situation hatten nicht den erhofften Erfolg. Die Kreuzung fiel auch 2017, 2018 und 2019 mit weiteren sieben Unfällen auf. Darunter war auch ein sehr schwerer. Woraufhin Polizei, Tiefbauamt und Ordnungsamt die „Entschärfung des Unfallschwerpunktes mittels einer Diagonalsperre“ für unerlässlich hielten. Damit werde die Hindenburgstraße beruhigt und die Olgastraße vom Schleichverkehr bereinigt. Beide Zielsetzungen hält das Stadtplanungsamt für das Mischgebiet mit einem hohen Anteil an Wohnungen auch für wünschenswert. Aber die Diagonalsperre werde ein Jahr lang mit einem Monitoring überwacht und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft, berichtete Gröger weiter und stellte für Herbst einen „Bürgerdialog“ in Aussicht, in dem die Anliegen der Betroffenen nochmals gehört werden sollen.
Dialog im Herbst
Die Ratsrunde begrüßte den angestrebten Dialog, zumal auch sie deutliche Verbesserungsmöglichkeiten im Informationsfluss vorab ausmachte. „Es ist wichtig, dass die Betroffenen schon im Vorfeld in umfassende Fragestellungen mit einbezogen werden“, unterstrich Thomas Heubach von den Freien Wählern. „Dennoch stehen wir zur Fahrradstraße und der angestrebten Verkehrswende“, stellte Heidi Bär für die SPD klar. Tim Hauser (CDU) befürchtete indessen mit der geplanten Umweltspur auf dem Altstadtring noch zusätzlichen Verkehr in dem Viertel. Jürgen Menzel (Grüne) zeigte sich „irritiert, dass hier zwei Verwaltungsabteilungen einen Streit austragen“. Was Gröger zurückwies: „Es gibt keinen Dissens zwischen unseren Ämtern, wir wollten das Thema im Diskurs darstellen.“ Man habe schlichtweg handeln müssen, um weitere Schäden zu vermeiden. Petra Schulz vom VCD, beratendes Mitglied im Ausschuss: „Ich bin froh, dass die Stadt die Sicherheit in den Vordergrund stellt. Auf der Fahrradstraße gab es auch viele weitere Unfälle, die ohne Polizei abgewickelt wurden“ – und damit nicht in die Statistik eingegangen sind.