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Angsträume und Videoüberwachung – Wie kann Esslingen sicherer werden?

Foto: Foto: Archiv/Roberto Bulgrin

Thema Stadtbild und sichere Orte: Die Esslinger Fraktionsspitzen reagieren auf den gemeinsamen Brief der drei Oberbürgermeister Klopfer, Palmer und Arnold. 

Die Debatte um das Stadtbild und Angsträume in den Städten nimmt Fahrt auf. Hintergrund ist der Beitrag in der Wochenzeitung „Die Zeit“ in der der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) gemeinsam mit OB Boris Palmer (parteilos) aus Tübingen und OB Richard Arnold (Schwäbisch Gmünd, CDU) Vorschläge zur Bekämpfung solcher Angsträume machen. Welche Positionen vertreten die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen im Esslinger Gemeinderat in dieser Diskussion?

„Die Diskussion um ‚Angsträume’ darf nicht dazu führen, dass unsere Städte zu überwachten und reglementierten Zonen werden. Esslingen braucht keine neuen Verbote oder Kameras, sondern mehr Leben, Licht und Begegnung. Sicherheit entsteht nicht durch Repression, sondern durch Vitalität und Miteinander“, erklärt Rena Farquhar, die Sprecherin der Fraktion FDP/Volt im Esslinger Gemeinderat.

Maille, Pliensaustraße und Bahnhofsvorplatz stehen in Esslingen im Fokus

Und sie ergänzt: „Bahnhofsvorplatz, Pliensaustraße, Maille – das sind Orte, die belebt sein sollten, nicht leer. Der beste Schutz vor Angsträumen ist eine Stadt, die nicht einschläft. Gastronomie, Kultur, gute Beleuchtung und ansprechende Gestaltung wirken mehr als jede Kamera.“

Eine lebendige Innenstadt wünscht sich auch Tim Hauser. Der CDU-Sprecher reagiert auf Klopfers Brief genervt und nutzt die Debatte für eine Breitseite gegen den Esslinger Verwaltungschef wenn er sagt: „Ein Oberbürgermeister, dem Sicherheit und Stadtentwicklung wirklich wichtig sind, sollte weniger Überschriften produzieren und weniger Briefe an den Kanzler unterschreiben – und dafür einfach mal handeln.“

Der lange Weg bis zur mobilen Wache am Bahnhof

Hauser bemängelt ein weites Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit in Esslingen. Seine Fraktion sei mit Anträgen zu den von Klopfer genannten Punkten „nahezu immer auf eine ablehnende Haltung der Stadtverwaltung beziehungsweise der Rathausspitze gestoßen.“

Als Beispiele nennt er die Mobile Wache des kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) am Bahnhof, bei der es drei Jahre Diskussionen und unzählige Anträge gekostet habe bis zur Realisierung. Zudem seien zusätzliche Stellen beim KOD, um die Kontrollen an Brennpunkten zu stärken, abgelehnt worden. 

„Und beim Thema Videoüberwachung an Orten, an denen die Fallzahlen unserer Auffassung nach eine Überwachung durchaus rechtfertigen würden, habe ich von OB Klopfer bislang kein einziges Mal gehört, dass er sich hier mit Nachdruck einsetzen würde.“ Stattdessen verschanze man sich regelmäßig hinter dem Landesdatenschutzbeauftragten.

Kritik hagelt es auch beim Thema Einzelhandel. Klopfer spreche von dessen wichtiger Stärkung, wolle aber dem Einzelhandel gleichzeitig mit dem Umzug der Bücherei ins Kögelgebäude eine zentrale Fläche entziehen. Und wie man mit der Ritterstraße umgehe, spreche Bände: „Hier tut sich trotz unzähliger Beschlüsse und Versprechungen schlicht gar nichts.“

Auch Parkhäuser, Tiefgaragen und Aufzüge gelten als Angsträume

Die Grüne Gemeinderatsfraktion befürwortet Videoüberwachung an „sensiblen Orten“, wie am Bahnhofsvorplatz, auf den Bahnsteigen, dem von Vandalismus betroffenen Aufzug zur Pliensauvorstadt, Parkhäusern und Tiefgaragen, erläutert Carmen Tittel, die Sprecherin der Grünen.

Ja zur Videoüberwachung, sagt auch Annette Silberhorn-Hemminger, die für die Freien Wähler spricht „an einigen klar definierten Brennpunkten wie dem Bahnhof. Aber Kameras ersetzten keine Präsenz von Polizei und Ordnungsdienst.“ Außerdem könnten „gute Beleuchtung, breite und einsehbare Wege, das Vermeiden enger und dunkler Unterführungen, verspiegelte oder helle Flächen, sowie belebte Erdgeschosszonen“ ebenso zur Sicherheit beitragen.

Videoüberwachung kann zu Kontroll-Problemen führen

Mit Licht, Musik und übersichtlicher Gestaltung der Räume Ambiente schaffen, das befürwortet auch der Linken-Sprecher Martin Auerbach. Außerdem müsse man die Zivilgesellschaft stärken und sich „dem Kern des Problems“ stellen – warum halten sich „zwielichtige Gestalten“ an manchen Orten auf? Außerdem habe es in dieser Sache eine Verlagerung vom früheren Busbahnhof in den Maillepark gegeben.

„Soll dieser dann auch Videoüberwachung bekommen?“, fragt der Linke und erklärt, Videoüberwachung verhindere erst mal nichts. Im besten Falle erleichtere sie die Ermittlungen. Aber sie sammle auch „Daten über jedermann – ohne nach meinem Dafürhalten die Frage ausreichend zu beantworten, wer alles Zugriff hat und wer die Kontrolleure kontrolliert.“ Für die AfD im Esslinger Gemeinderat ist Videoüberwachung laut Sprecher Stephan Köthe ein Placebo, „solange das reale Problem weiter ignoriert wird. Zwar kann Videoüberwachung bei der Aufklärung helfen, sie verhindert aber keine Straftaten und beseitigt nicht die Unsicherheit.“ Was er mit er mit „realem Problem“ meint, geht aus Köthes Stellungnahme nicht hervor. „Die tatsächliche Sicherheit an einem Ort und die gefühlte Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sind nicht immer identisch“, stellt der SPD-Sprecher Nicolas Fink fest. Begehungen der Stadtverwaltung zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern könnten helfen, gefühlt unsichere Orte zu identifizieren und diese dank besserer Beleuchtung, mehr Sauberkeit und Ordnung sowie aufsuchender Sozialarbeit zu verbessern. Videoüberwachung an sensiblen Orten sollte nur im Rahmen eines Gesamtsicherheitskonzeptes eingesetzt werden.