Foto: Roberto Bulgrin
Jung, dynamisch, motiviert: Der 25-jährige Christian Steimer hat die Leitung des Tierheims Esslingen übernommen. Das „Blaulicht-Gen“ hat er nicht mitbekommen. Beide Elternteile haben eine Ausbildung bei der Polizei gemacht und dort gearbeitet. Und auch Christian Steimer versteht sich als Freund und Helfer – aber als einer für Tiere. Der 25-Jährige ist der neue Leiter des Tierheims Esslingen und damit Nachfolger von Horst Theilinger, der nach 32 Jahren im Dienst der Einrichtung auf der Neckarinsel in den Ruhestand gegangen ist.
Das Gerede von „den großen Fußstapfen“ mag er gar nicht. Natürlich, sagt Christian Steimer, hat Horst Theilinger in seiner langen Dienstzeit das Tierheim Esslingen geprägt. Natürlich kannte er die Gegebenheiten in der Einrichtung in- und auswendig. Und natürlich war er ein Tierheim-Insider, der die Geschichte fast jedes Backsteins und fast jedes Tieres im Schlaf aufsagen konnte. Doch, so der junge Mann selbstbewusst, er wolle nicht versuchen, seinen Vorgänger zu kopieren oder ihm nachzueifern. Er wolle seinen eigenen Weg gehen, seine eigenen Entscheidungen treffen, seine eigenen Wendepunkte setzen. In der Luft hängt er dabei nicht. Horst Theilinger habe versprochen, dass er bei Nachfragen zur Verfügung stehe, und mit der stellvertretenden Leiterin Manuela Schlattner hat der neue Chef ein weiteres Tierheim-Urgestein zur Seite.
Gelernt hat er den Job auch. Christian Steimer ist ein Eigengewächs der Einrichtung. Im September 2020 hat er – damals noch unter Corona-Bedingungen – seine Ausbildung zum Tierpfleger in Esslingen begonnen. Falsche Vorstellungen, sagt der 25-Jährige, wurden schnell korrigiert. Mit ein bisschen Tiere streicheln und ein wenig Gassi gehen ist es nicht getan. Vor allem müssten Reinigungsarbeiten erledigt werden. Drei Jahre hat die Ausbildung zum Tierpfleger Fachrichtung Tierheim und Tierpension gedauert.
Möglich wären auch eine Lehre mit Spezialisierung auf Forschung und Klinik oder auf Zoos gewesen. Doch Christian Steimer kam auch über persönliche Kontakte zum Esslinger Tierheim.
Der in Ostfildern Geborene und in Denkendorf Aufgewachsene startete nach seinem Realschulabschluss zunächst eine Ausbildung zum Forstwirt. Diese Lehre aber, das bemerkte er bald, war nicht sein Ding. Nach einem halben Jahr orientierte er sich beruflich um und fand auf der Jugendfarm in Esslingen, einem pädagogisch betreuten Aktiv- und Abenteuerspielplatz mit Tieren, sein persönliches Paradies.
Noch heute schwärmt er von der Zeit dort. Für die Einrichtung absolvierte er zunächst ein Praktikum und dann den Bundesfreiwilligendienst („Bufdi“). Wie wichtig die Arbeit der Jugendfarm ist, hat Christian Steimer durch ein Schlüsselerlebnis erfahren. Er sei mit ein paar Kindern in der Natur unterwegs gewesen und habe zu seinen Begleitern gesagt: „Heute gehen wir in den Wald.“ Nach einiger Zeit habe ihn eines der Kinder gefragt: „Wo ist denn der Wald, Christian?“. Dabei, so sagt er, standen sie mitten drin. Dass Kinder nicht einmal mehr den Wald kennen, habe ihn erschüttert. Und für ihn stand fest: Er wollte beruflich etwas mit Kindern oder mit Tieren machen.
Die Entscheidung fiel zu Gunsten der Tiere. Die Jugendfarm auf dem Zollberg und das Tierheim Esslingen unterhielten Kontakte zueinander – und so erfuhr Christian Steimer, dass Azubis zu Tierpflegern gesucht werden. Er bewarb sich und wurde genommen. Nur die Berufsschulzeit verbindet er mit Stress. Der Unterricht wurde wochenweise in Ettlingen im Landkreis Karlsruhe abgehalten. Es hätte schon Übernachtungsmöglichkeiten dort gegeben, sagt der neue Tierheimleiter. Aber er wolle abends einfach lieber in seinem eigenen Bett schlafen. Darum sei er hin- und hergependelt. Die lange Anreise sei nervig gewesen. Doch er hat es gepackt, seine Ausbildung beendet und ist im Tierheim geblieben.
Als dann Horst Theilinger seinen Abschied in den Ruhestand ankündigt hat, hat er zugegriffen. Doch an der Spitze zu stehen, sei etwas anderes, als im Team mitzuarbeiten. Die Abrechnung sei zu machen, E-Mails seien zu beantworten, Personalführung der 21 Mitarbeitenden gehöre zum Job-Portfolio. Er sei gespannt auf das ganze Neue, das auf ihn zukomme, sagt Christian Steimer.
Doch er hat auch Respekt vor der Arbeit. Er möchte dem Job seine eigene Handschrift geben, neue Impulse setzen, manches verändern. Besonders liegt ihm eine Verbesserung des Jobprofils am Herzen. Durch eine neue Schichtregelung hofft er, Arbeitsbelastung und -zeiten der Mitarbeitenden weiter verbessern zu können: „Die Tätigkeit muss für junge Leute noch attraktiver gemacht werden.“ Regeln muss er auch weiterhin die Finanzen. Etwa 1,2 Millionen Euro braucht das Tierheim im Jahr zur Aufrechterhaltung des Betriebs. Für Freizeitaktivitäten hat Christian Steimer, der nun in Deizisau lebt, nach anstrengenden Arbeitstagen wenig Zeit. Doch er treibt gerne Sport und kümmert sich um seinen Hund. Den hat er natürlich aus dem Tierheim Esslingen.