Foto: F.Ottliczky
Hervorragend besucht war das Konzert des Russischen Chores Esslingen “Aus den Kathedralen des Exils” unter der Leitung von Alevtina Prokhorenko in der Stadtkirche St.Dionys. Nach 1917 ging – wie auch heute – der äußeren Emigration oft die innere voraus. Als aktuelles Beispiel wurde der erschütternde Brief eines Moskauers an seine in Esslingen lebende Schwester vorgelesen:
“Mein Schwesterlein, jetzt bin ich 45 Jahre alt…. und ich schäme mich so unfassbar für das,
was jetzt in Russland passiert…. Das ist eine Art Phantasmagorie, ein Alptraum…. Ich hätte
mir so etwas nie vorstellen können.
Du fühlst dich wie irgendein Tier. Das zwischen seinem Heimatland und diesem
schrecklichen Land hier hin und her hetzt, und du verstehst, dass dies auch deine Heimat ist, wo
in der Erde die dir lieben und verwandten Menschen liegen … Und gleichzeitig hasst du
DIESE Heimat…. Irgendwie eine Spaltung der Persönlichkeit …. Und wir finden keine
Rechtfertigung und Vergebung …. Und ich weiß nicht, was ich mit diesen Gefühlen anfangen
soll … Die Russen sind doch Mörder, die ganze Welt ist gegen uns …. Aber wir sind doch
nicht alles Mörder. So bitter ist das alles, und man muss sich schämen für uns….
Gerne würde ich bis zu der Zeit leben, wo sich das alles irgendwie ändern wird… Obwohl
man nur mit Mühe daran glauben kann.
Sag du bitte den Leuten, dass die Russen nicht alle solche Halunken sind wie Putin. Bitte, sag
es…..
Schließlich Russen, das sind auch Tschaikowsky, Rachmaninow, Wyssozki und Galich,
Rostropowitsch und Sacharow, Solschenizyn und eine riesige Anzahl anständiger Menschen,
die auch jetzt noch in Russland leben … Die einstweilen einfach nur verwirrt und ratlos sind
vor dem Satan und seinem Gefolge …”
Die zahlreichen Zuhörer honorierten das stimmgewaltige Lichtzeichen des Chors in der putinrussischen Finsternis mit viel Beifall.