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Am Sonntag, 18.06. 2023, 18 Uhr, Theodor-Rothschild-Haus Esslingen, Mülbergerstr. 146 (gegenüber der Burg), findet im Festsaal ein Vortrag statt, der sich mit dem Thema jüdischer Bibelauslegung beschäftigt. Wurde das aufgeschriebene Bibelwort bis zur Zerstörung des zweiten Tempels im Jahre 70 n. d. Z. mündlich erklärt, entstand danach die Notwendigkeit, bisher mündlich tradierte Auslegungen, insbesondere des jüdischen Lebenswandels (Halacha), schriftlich zu formulieren. So entstand die Mischna, später abgeschlossen durch die Gemara. Beide zusammen bilden den Kern des Talmuds, verfasst um ca. 500 n. d. Z. als Babylonischer sowie Jerusalemer Talmud. Mischna, Gemara und Talmud gemeinsam ist ihre systematische Darstellung von Grundthemen des jüdischen Lebens im Lichte der Regeln der Torah. Dazu kommen die Midraschim, die den biblischen Stoff nicht systematisch sondern versweise entlang dem Bibeltext kommentieren. Diese Midraschim werden unterschieden in halachische und aggadische. Bei den halachischen werden die Regeln kommentiert und ausgelegt. Die aggadischen hingegen sind erzählend und schreiben die biblischen Geschichten ausmalend fort. Der wohl berühmteste Kommentator der Bibelversabschnitte ist Raschi (Schlomo ben Jizchak, 1040-1105 in Troyes), der zehn Jahre lang in Mainz und Worms bei berühmten Lehrern studiert hatte. Die Grundlage seiner Kommentare ist der einfache Wortsinn (‚Pschat‘) des Textes in möglichst wortgetreuer Übersetzung unter Beachtung des Zusammenhangs. Weitere exegetische Methoden des Mittelalters waren die allegorische Anspielung und der Sod (Geheimnis) als Suche nach der mystischen Textbedeutung. Später kamen u.a. die Philologie und die historisch-kritische Bibelforschung hinzu.
Der Referent des Abends ist der Philosoph Dr. phil. habil. Hartwig Wiedebach. Er leitetedas Hermann Cohen Archiv an der ETH Zürich und berät heute eine Klinik in Göppingen in ethischen Fragen bei humanitären Grenzsituationen.